Was lange gärt, wird endlich Wut

Veröffentlicht am 21. September 2023

Mit unnachahmlichem Scharfblick hat die Regierung meines Wahlheimatlandes Niederösterreich als größten Hemmschuh der Umwelt- und Verkehrspolitik die sogenannten Klimakleber identifiziert. Logischerweise fordert die Regierung daher strengere Strafen für diese Leute, die ihre Mitmenschen ohne Grund beim Verkehr stören.

Wobei „Klimakleber“ ja nicht die einzigen Störenfriede sind, die einen am zügigen Fortkommen hindern. Neulich, im Verlauf einer tagesfüllenden Bahnfahrt quer durch Deutschland nach Österreich, wurden wir gleich zweimal durch einen „Notarzteinsatz“ aufgehalten. Kenner des Bahnbetriebs wissen, dass damit im Normalfall ein Schienensuizid gemeint ist. Die Mitte der Gesellschaft hat für diese Form der Selbsttötung überhaupt kein Verständnis. Sie sollte daher ebenfalls viel strenger bestraft werden!

Um aber auf die „Klimakleber“ zurückzukommen: Das Perfide an ihnen ist ja, dass sie mit ihren Aktionen auch unsere Landesbeamten und Politikerinnen ausbremsen, wo diese doch Tag und Nacht nichts anderes tun, als die richtigen umwelt- und verkehrspolitischen Maßnahmen zu setzen. Das kann man auch ganz konkret hier in unserem Weinviertler Städtchen beobachten.

Freie Bahn für freie Verkehrsexperten

Da gibt es eine ca. 1,2 km lange Straße namens „Alleegasse“, die einige außerhalb gelegene Ortsteile mit dem Zentrum verbindet. Die Alleegasse ist eng, kurvig und teilweise zugeparkt, weshalb Bürgerinnen und Bürger schon seit vielen Jahren fordern, sie für den Radverkehr sicherer zu machen. Denn wenn die Straße sicherer wäre, würden mehr Radfahrende sie nutzen, und das wiederum hieße: weniger Autos im Ortszentrum und weniger CO2-Ausstoß.

Der Stadtgemeinde leuchtete das ein. Sie ließ ein Konzept zur fahrradfreundlichen Umgestaltung der Alleegasse entwickeln und stellte es im Juni 2021 zur behördlichen Verhandlung. Da die Alleegasse eine Landesstraße ist, war auch ein Verkehrsexperte des Landes zugegen. Der Landesbeamte sah infolge der geplanten Umgestaltung große Risiken auf den Autoverkehr zurollen. Er forderte daher, erstmal weitere Studien zu erheben, um auf deren Grundlage einen neuen Lösungsvorschlag zu erarbeiten.

Dank Piktogramm: Freie Fahrt fürs Rad!
Bild: Radlobby Wolkersdorf

Nur zwei Rekordsommer später ist das Werk vollbracht. Die Alleegasse zieren jetzt Piktogramme, die Radfahrenden eine sichere Fahrlinie vorzeichnen sollen, und auf einer Länge von 487 m wurde gar die Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h herabgesetzt (aber nur nachdem der Bürgermeister dem Landesvertreter erklärt hatte, dass die Herabsetzung absolut unerlässlich sei).

Interessantes Detail am Rande: Die Höchstgeschwindigkeit wurde am Ortsrand herabgesetzt, weiter stadteinwärts aber bei 50 km/h belassen, sodass Autos, je näher sie dem Ortszentrum kommen, wieder mehr Gas geben können. Für Radfahrende bedeutet das, dass ihr Weg in Richtung Zentrum zwar ein Stück weit sicherer geworden ist, sie aber noch immer nicht sicher bis ins Zentrum fahren können.

Trotzdem wird die Lösung von Kennern des Politikbetriebs als Meilenstein erachtet, weil sich das Land Niederösterreich dazu durchringen konnte, unglaubliche 487 m Landesstraße mit Tempo 30 zu belegen. Und das nach nur zwei Jahren Bedenkzeit.

Da soll noch wer behaupten, die Klima- und Verkehrspolitik in Niederösterreich klebe auf der Stelle!

Siehe auch:

Artikel Allee der Irrtümer (in „Die Furche“ vom 10. November 2021)

VCÖ-Initiative „Gemeinden und Städte für Tempo 30“

Radlobby Wolkersdorf

Maschinenpark

Veröffentlicht am 5. September 2023
Jetzt zickt auch noch die Motorsense rum.
Als hätt ich nicht Probleme schon in Massen!
Zwar springt sie an, doch dann – ist es zu fassen? –,
Sobald ich Gas geb, hört man ein Gebrumm,

Und gleich darauf ist das Maschinchen stumm.
Mit dem Vergaser scheint was nicht zu passen.
Ich hab das Ding doch grad erst warten lassen.
Allmählich wirds mir wirklich bald zu dumm.

Die Nachbarn ringsum nützen längst Roboter,
Um ihre Rasenflächen kurz zu halten.
Doch unser Garten ist zu sehr verlottert,

Um ihn mit solchen Mitteln zu verwalten.
Und mein Maschinenpark wird immer schrotter.
Ich hör bald auf, den Wildwuchs zu gestalten.

Der Brotfachverkäufer*in

Veröffentlicht am 3. August 2023
Ein Bäcker in St. Pölten wollte ändern
Den Namen eines Brotes, das sich gut
Verkaufte. Also fasste er sich Mut
Und machte etwas, das in andern Ländern

Längst üblich: Er versuchte es mit Gendern.
Doch wenn man sowas in St. Pölten tut,
Entzündet unverzüglich sich die Wut,
Die schwelt und knistert an den rechten Rändern.

Ein Shitstorm braute drohend sich zusammen
In jedem Social Media-Kanal.
Der brave Bäcker sah bereits in Flammen

Die Bäckerei und sich am Marterpfahl.
Schnell hörte man „Entschuldigung“ ihn stammeln,
Denn Gendern gilt als ziemlich radikal.

So Grün, wenn Spaniens Blüten

Veröffentlicht am 30. Juli 2023

Unlängst habe ich mich an dieser Stelle über den literarischen Fälscher Robert Grün ausgelassen, Schöpfer des Mönches „Celso Gargia“, der Pizarro bei der Eroberung von Perú begleitet und darüber ein Tagebuch hinterlassen haben soll. Dass Mönch und Tagebuch bloß Ausgeburten von Grüns Fantasie waren,  ist 50 Jahre lang niemandem aufgefallen – auch nicht den Redakteurinnen und Redakteuren namhafter Schulbücher, die bis heute aus dem vermeintlich „zeitgenössischen Bericht“ zitieren.

Diese Geschichte ist inzwischen auch in der „Furche“ nachzulesen (leider nur für Abonnentinnen und Abonnenten; ein zweiwöchiges Probeabo ist jedoch gratis).

Bevor Robert Grün 1973 seinen „Celso Gargia“ erfand, hatte er 1968 eine Übersetzung von Antonio Pigafettas Reisebericht von der ersten Schiffsreise um die Erde herausgegeben. Grüns Pigafetta-Ausgabe wird immer wieder neu aufgelegt (die nächste Auflage ist für November 2023 angekündigt), obwohl sie einerseits ein dreistes Plagiat ist, andererseits eine Fälschung.

Plagiat, weil Grün großteils das Werk eines Schweizer Autors kopierte, ohne diesen zu nennen, nämlich Oscar Koellikers „Die erste Umseglung der Erde durch Fernando de Magallanes und Juan Sebastian del Cano 1519-22“.

Fälschung, weil Grün dem Bericht Pigafettas allerhand hinzudichtete, was seiner Fantasie entsprungen war: Geschichten von Sex & Crime, Mord und Totschlag, tödlichen Schlangenbissen, Kannibalismus u. dgl. m.

Belege für Plagiat und Fälschung habe ich in folgenden Dokumenten zusammengestellt (pdf_s zum Download):

Pigafetta_Textvergleich

„Dabei schnatterten sie wie die Gänse“

 

Schlieren der Schöpfung

Veröffentlicht am 2. Juli 2023
Mit immerwährend großem Ruhm bedecken
Tat sich der Schöpfergott, als er die Welt
Erschuf und alles, was sie so enthält.
Doch was nur wollte Er damit bezwecken,

Als Er ins Dasein rief die nackten Schnecken?
Die hat der Teufel wohl bei Ihm bestellt.
Sie haben mir schon oft den Tag vergällt,
Sind aller Gartenfreunde wahrer Schrecken.

Das Schlimme ist an diesen grausen Tieren,
Dass ihnen leider welkes Grün nicht reicht
Und sie nach jungen Pflanzen immer gieren.

Und wenn er seinem Beete naht, erbleicht
Der Gärtner, weil er statt Salat bloß Schlieren
Sieht und sein Garten einem Schlachtfeld gleicht.

Penem et circenses

Veröffentlicht am 7. Juni 2023
Nicht Erwin Lindemann, nein, sondern Bill
Benannte sich ein sehr berühmter Sänger.
Der tourt mit seiner Gruselband schon länger
Durchs Land, und die Konzerte sind der Thrill.

Doch nach der Show wirds immer furchtbar still
In Bill, da kriegt er immer voll den Hänger.
Zum Glück ist er ein wahrer Seelenfänger,
Der weiß, was so ein junges Mädel will.

Er lässt die jungen Dinger sich von Schranzen
Ins Hinterzimmer seiner Bühne führen,
Wo sie nach Gabe chemischer Substanzen

Für ihn allein hinter verschlossnen Türen
Zutiefst entspannt ganz ohne Hemmung tanzen,
Und Bill kann sie in Ruhe penetrieren.

 

Copy if you can

Veröffentlicht am 17. Mai 2023

Dass Bücher „die schönste und interessanteste Ware der Welt sind, von der Wissen, Aufklärung und Weltverständnis ebenso ausgehen wie Verzauberung und Verführung“ – als Bücherliebhaber liest man gern, was der Verleger Lothar Wekel auf der Website des Verlagshauses am Römerweg schreibt. Aber schauen wir doch mal genauer, welche interessanten Waren dieses Verlagshaus vertreibt!

Unter seinem Dach logiert die Edition Erdmann, in der seit sechzig Jahren die großen Namen der europäischen Reiseliteratur, von Wilhelm von Rubruk bis Alfred Wegener, immer wieder neu aufgelegt werden. In dieser illustren Sammlung darf auch Antonio Pigafettas „Augenzeugenbericht von der ersten Weltumsegelung“ nicht fehlen. Die nächste Neuauflage ist bereits angekündigt, in einer wohlfeilen Ausgabe: „Das Original im Paperback“.

Robert Grüns Pigafetta-„Edition“ von 1968
Bild: Wikimedia Commons

Das Etikett „Original“ scheint hier vor allem der Herausgeber zu verdienen: ein gewisser Robert Grün aus Wien, der offenbar ein Freund origineller Arbeitsmethoden war. Grün publizierte 1968 eine deutsche Fassung von Pigafettas Bericht im damaligen Horst Erdmann Verlag. 1970 legte er eine deutsche Bearbeitung des Bordbuchs von Christoph Columbus nach und 1973, gemeinsam mit seiner Frau, ein Buch über „Die Eroberung von Peru: Die Augenzeugenberichte von Celso Gargia, Gaspar de Carvajal, Samuel Fritz“, alle im Erdmann Verlag.

Was für eine beachtliche Reihe einschlägiger Veröffentlichungen! – dachte sich wohl ein Rezensent im Spektrum der Wissenschaft und attestierte dem Publizistenpaar Grün noch 2015, „ausgewiesene Kenner auf dem Gebiet der Historischen Geographie und des Zeitalters der Entdeckungen“ gewesen zu sein. Völlig zu Recht, denn:

Solche Kenner der Materie waren die Grüns, dass sie in ihrem Werk über die Eroberung Perus sogar einen „Augenzeugen“ jener bald 500 Jahre zurückliegenden Ereignisse präsentieren konnten, den bis dahin außer ihnen niemand gekannt hatte, nämlich den Augustinermönch „Celso Gargia“. Dieser „Fray Gargia“ soll Pizarros auf dessen Zug nach Peru begleitet und einen Bericht hinterlassen haben über das, was er dort mit eigenen Augen sah. Gefunden hatten die Grüns ihren „Zeugen“, wie sie einleitend erklärten, im Wiener Völkerkundemuseum (heute Weltmuseum), in einer dort befindlichen „Handschrift von Simancas“, deren Signatur sie freilich vergaßen anzugeben. Und das hatte seinen guten Grund …

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Populisten

Veröffentlicht am 17. April 2023
Wer schützt uns gegen Klimaterroristen,
vor Genderwahn und Ökodiktatur?
Wer kümmert sich um eigne Leute nur?
Das schaffen ganz allein die Populisten.

Und wehe, einer sagt, sie wär’n Faschisten!
Denn kommst du ihnen auf die linke Tour,
Dann schalten sie sekundenschnell auf stur
Und setzen dich auf ihre schwarzen Listen.

Sie finden, Fremde hätten zu viel Rechte
Und Grenzen wär’n mit Stacheldraht zu stählen.
In Putin sehen sie nicht nur das Schlechte

Und Russland kann auf ihre Freundschaft zählen.
Den Frieden stören bloß die Nato-Mächte.
Da muss man eben Populisten wählen.

Der Rechner Fantasie

Veröffentlicht am 1. April 2023
Erinnert sich noch jemand an die Dot
com-Blase, jene große Hysterie?
Inzwischen heißt das Zauberwort KI
Und Algorithmus ist der neue Gott.

Was Menschen denken, gilt doch längst als Schrott
Verglichen mit der Rechner Fantasie;
Es komponiert die schönste Melodie
Und schreibt die feinste Lyrik uns ein Bot.

Bedauerlich ist dieser Trend mitnichten.
Wie viele Stunden hab ich schon verschwendet
Mit Reime-Finden und Sonette-Dichten!

Doch diese Mühsal ist nun bald beendet
Und dank KI kann ich mein Sinnen richten
Ganz auf die Dinge, die das Fernsehn sendet.

 

Die großen Gräben

Veröffentlicht am 20. März 2023

Im schönen Bundesland Niederösterreich, das seit fast 18 Jahren meine Wahlheimat ist, in der ich als Ausländer aber nicht wählen darf, gibt es sehr tiefe Gräben. Den Ötschergraben zum Beispiel, eine tief eingeschnittene Felsschlucht von ehrfurchtgebietenden Dimensionen, die den internationalen Vergleich nicht scheuen muss. Aber der Ötschergraben ist nicht annähernd so tief wie die Klüfte, die sich durch die politische Landschaft Niederösterreichs ziehen und die politischen Lager des Landes voneinander trennen.

Keine Angst: Dieser niederösterreichische Graben soll nicht geschlossen werden
Bild: Wikimedia Commons

Nachdem die hierzulande seit 1945 regierende Volkspartei bei den Wahlen im Jänner 2023 ihre absolute Mehrheit verloren hatte, gelobte sie, „die Gräben zu schließen“. Die Gräben zu den Sozialdemokraten erwiesen sich jedoch schnell als unüberbrückbar, was nicht überraschte, hatte die Landeshauptfrau doch bereits vor Jahren erkannt: „Rote bleiben Gsindl“ . Was blieb ihr also anderes übrig, als den bodenlosen Schrund am äußersten rechten Rand der politischen Landschaft zuzuschütten und eine Landbrücke zur FPÖ zu schaffen, die aus den Jännerwahlen als triumphale Siegerin hervorgegangen war.

Um einen solchen Abgrund auszufüllen, müssen freilich unvorstellbare Mengen an Morast und Schotter bewegt werden, wie das „Arbeitsübereinkommen“ der beiden Parteien illustriert:

  • So wird ein 30 Millionen Euro schwerer Fonds die „Schäden“, die durch die „Corona-Maßnahmen“ entstanden seien, „wieder gut machen“.
  • Auf den Pausenhöfen der Schulen wird künftig die Verwendung der deutschen Sprache „forciert“.
  • Dafür dürfen Wirtshäuser, die „ein traditionelles und regionales Speiseangebot“ aufweisen, mit Prämien rechnen.
  • Wohl um den Arbeitsmarkt von Teilzeit arbeitenden Müttern zu entlasten, wird „die Kinderbetreuung im Familienverband“ eine „finanzielle Aufwertung“ erfahren.
  • Dagegen soll das Land „für die überwiegend wirtschaftlich motivierten Zuwanderer möglichst unattraktiv“ gemacht werden.
  • Für Autofahrer wiederum dürfte Niederösterreich noch attraktiver werden als bisher. Die Übereingekommenen bekennen sich nämlich zu „flüssigem“ Individualverkehr, Straßenbau und natürlich zur Krone der technologischen Schöpfung: dem Verbrennungsmotor.
  • Der Individualverkehr sei „in Zukunft zu erhöhen“ und „vor mutwilligen Störungen zu schützen“. Daher wird „ein entschlossenes und rechtlich effektiveres Vorgehen gegen sogenannte ‚Klimakleber'“ für notwendig erachtet.

Freilich muss der immense Aushub an fossilem Gedankengut, mit dem der große Graben am rechten Rand der politischen Landschaft gefüllt werden soll, irgendwoher kommen, und so wird das Schließen des einen Grabens wohl andere Klüftungen vertiefen: zu denjenigen „Landsleuten“ nämlich, die sich ihre Zukunft nicht als Rückwärtsfahrt mit Vollgas in eine märchenhafte Vergangenheit vorstellen.

Schon werden die Böden hierzulande rissig von wochenlanger Trockenheit. Mit dem Klimawandel hat das aber bestimmt nichts zu tun. Ich glaube eher an einen Schadenszauber durch überwiegend wirtschaftlich motivierte Zuwanderer. Vielleicht sollte man zu dessen Abwehr ein paar Fremde lebendig begraben, wie es schon bei den alten Germanen gepflegter Brauch gewesen sein soll …