Hätte ich mir auch nicht träumen lassen, dass eines meiner Bücher noch zu meinen Lebzeiten als Rarität und Sammlerstück gehandelt wird …
Wie berichtet, ist meine Pigafetta-Übersetzung seit kurzem vergriffen und eine Neuauflage nicht in Sicht, weil ich für diesen wunderbaren Reisebericht aus der Frühen Neuzeit nach der Insolvenz der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft erst wieder einen Verlag finden muss. Das werde ich hoffentlich rasch, denn aktuell wird im antiquarischen Handel nur mehr ein einziges Exemplar meiner Übersetzung für sage und schreibe 169,99 Euro angeboten.
Man könnte meinen, der Preis sei nicht übertrieben, handelt es sich doch um die bislang einzige Übersetzung aus erster Hand ins Deutsche[1] und um die einzige, die nicht nur den vollständigen Text, sondern auch die 23 farbigen Miniaturen bietet, die der Autor dem Text mitgegeben hat.
Allerdings hätte es Pigafettas Bericht verdient, für ein größeres Publikum erschwinglich zu sein. Daher hoffe ich sehr, dass sich bald ein Verlag für eine Neuausgabe findet – Interessenten bitte melden!
In lauen Nächten, wie sie uns betören
Zu dieser Jahreszeit schon viel zu früh,
Da hat ein Dorfbewohner seine Müh
Infolge des Verhaltens dummer Gören,
Die seinen Wunsch nach Ruhe nächtlich stören,
Indem zu vorgerückter Stunde sie
Mit Aufwand von fossiler Energie
Auf ihren Mopeds durch die Straßen röhren.
Die Jugend auf dem Dorf will’s nicht kapieren,
Weil ihr’s anscheinend an Verstand gebricht.
Solln andre doch am Freitag demonstrieren
Fürs Klima, üben den Konsumverzicht.
Sie wollen sich zu Tode amüsieren,
Und dass die Erde brennt, verstört sie nicht.
In Online-Foren treffen sich die Leute,
Um über alles Mögliche zu reden.
Die Diskussionen richten sich an jeden,
Der keine Scheu hat vor dem Hass der Meute.
Denn eh man sich versieht, wird man zur Beute
Von fiesen Trollen, die verbiss’ne Fehden
Im Netz austragen; sich in ihre blöden
Debatten eingemischt zu haben, reute
So manchen ahnungslosen User schon.
Was mich an vielen Postings abstößt, ist,
Vom Inhalt einmal abgesehn, der Ton.
Auch fragt man sich, ob manchen für den Mist,
Den sie da posten, zahlt wer einen Lohn.
So ist, was man in Foren liest, oft trist.
Als der Krieg in seinen ersten Winter ging, war mir klar, dass wir nicht tatenlos bleiben konnten, dass auch wir unseren Beitrag leisten mussten, damit nicht der Aggressor triumphierte. Mich selbst zur kämpfenden Truppe zu melden, kam nicht in Frage, schon meines Alters wegen nicht, vor allem aber, weil ich in meiner Jugend keine soldatische Ausbildung genossen habe (obwohl der Staat sie mir seinerzeit kostenlos zur Verfügung gestellt hätte). Unerfahren, untrainiert und von Natur aus ängstlich wäre ich den Verteidigern mehr Last als Hilfe gewesen. Doch ich wusste, was ich stattdessen tun konnte, um den Angegriffenen beizustehen …
Wie so viele Menschen in unserem Land heizen auch wir unser Haus mit Gas, und zwar mit Gas, das großteils aus Russland kommt. Ein gutes Gefühl hatte ich dabei nie, aber mit Hilfe opportunistischer Erwägungen war es mir über die Jahre immer wieder gelungen, mein Unbehagen zu verdrängen. Seit dem 24. Februar 2022 ist das jedoch nicht mehr möglich.
Nach dem Schock des Angriffs hatten wir für unser Haus gleich einen zweiten Kaminofen und eine große Fuhre Holz bestellt – keineswegs voreilig, wie sich zeigte, denn die Nachfrage nach Öfen und Brennholz schoss bald durch die Decke. Wir aber besaßen nun zwei Öfen, einen im Alt- und einen im Anbau, die leistungsstark genug waren, um zumindest die zentralen Räume des Hauses zu erwärmen, sowie einen stattlichen Vorrat an Brennstoff. Damit fühlten wir uns weniger erpressbar. Selbst wenn es hart auf hart käme, würden wir im Winter auch ohne Gas nicht frieren müssen.
Doch allen Drohungen zum Trotz strömte das Gas weiter in unser Land und in unser Haus, und das war auch kein Wunder, finanzierte der Aggressor doch mit dem Gas seinen mörderischen Krieg, der nicht nur die Existenz der attackierten Ukraine, sondern unser aller Frieden und Freiheit bedrohte. Umso mehr galt es, seine Einnahmen aus diesem Geschäft, so weit es irgend ging, zu drosseln. Und hier kamen unsere Öfen ins Spiel.
Wer je mit einem Zimmerofen für Festbrennstoffe geheizt hat, weiß, dass das zwar romantisch, aber mit Arbeit verbunden ist. Brennholz muss beschafft, eingelagert, auf handliche Größe geschnitten und portionsweise ins Haus geschafft werden. Man muss den Ofen jeden Tag erst an- und dann auf Betriebstemperatur hinaufheizen, später drosseln und entsprechend des Bedarfs regulieren, das heißt immer wieder nachlegen und die Luftzufuhr justieren. Dabei sollte man den Ofen entweder im Auge behalten oder mit der Zeit ein Gefühl dafür entwickeln, wann man nachlegen muss; tut man es zu spät, ist er nur mit Mühe wieder auf Touren zu bringen. Dabei ist nicht nur jeder Ofen anders, sondern der Verbrauch schwankt auch je nach Qualität des Brennolzes, Außentemperatur, Windstärke, Windrichtung usw.
Am nächsten Tag muss der Ofen gesäubert, die Asche mit einem Handfeger ausgekehrt und außer Haus gebracht werden. Ist der Ofen, wie unsere es sind, mit Scheiben ausgestattet, so sind diese periodisch – je nach Geschick beim Anheizen – zu reinigen, am besten mittels Zeitungspapier, Wasser und Asche. Auch der Boden um den Ofen wird laufend schmutzig durch Dreck, den man mit dem Holz ins Haus trägt, und herauswirbelnde Asche. (Über den Feinstaub, der bei der Verbrennung anfällt, macht man sich am besten gar nicht erst Gedanken.) Je nach Empfindlichkeit wird man mithin auch untertags immer wieder Kehrschaufel und Besen oder den Wischeimer zur Hand nehmen.
Aber da hat der tägliche Ablauf längst von vorn begonnen: Holz ins Haus schaffen, den Ofen anheizen, aufheizen, nachschauen, nachlegen, Holz nachholen, bis am nächsten Morgen wieder das Auskehren der Asche ansteht, und so geht es fort, Tag um Tag, Woche für Woche, den ganzen Winter. Man trage im übrigen keine helle Kleidung, denn es ist fast unvermeidlich, dass man sich entweder beim Einheizen oder Säubern mit Ruß beschmutzt, und vergesse nicht das Händewaschen, sofern man keine Handschuhe trägt, sonst zieren Rußflecken vor allem Türen, Zargen und Lichtschalter.
Mit zwei Öfen hatte ich diese Arbeit nun doppelt, wobei der neue Ofen, den wir in unsere Wohnküche gestellt hatten, eher klein war und deswegen sehr oft bestückt werden musste. Schnell sah ich ein, dass ich ihn kaum den ganzen Tag am Laufen halten konnte. Stattdessen ging ich dazu über, ihn immer erst abends einzuheizen, wenn sich die ganze Familie wie in der guten alten Zeit in der Küche versammelte; denn in den anderen Räumen, Schlaf- und Kinderzimmern, war es, solange die Gasheizung nicht ansprang, ziemlich kühl. Dass die Heizung ansprang, versuchte ich aber tunlichst zu vermeiden, indem ich die Öfen, wann immer es ging, in Betrieb nahm, tagsüber den in meinem Arbeitszimmer, der, moderate Kälte vorausgesetzt, das gesamte Untergeschoß des Altbaus mit Wärme versorgte, und abends wie gesagt das Öfchen im Anbau, in unserer Wohnküche. Da sich dort auch der Thermostat für die Zentralheizung befindet und der Anbau besser (bzw. überhaupt) gedämmt ist, reichte die in der Küche gespeicherte Wärme hin, dass die Gasheizung sich für viele Stunden, manchmal bis zum nächsten Morgen nicht mehr einschaltete.
So gelang es mir durch konsequentes Heizen beider Öfen unseren Gasverbrauch in jenem Winter auf weniger als ein Drittel des Vorkriegsniveaus zu senken, von ca. 1450 auf 470 Kubikmeter im Jahr – und das obwohl mich vor Weihnachten eine Grippe für zwei Wochen außer Gefecht gesetzt hatte, ausgerechnet während der ersten Kältewelle jenes Winters, sodass die Gasheizung in dieser Zeit permanent lief. Dennoch befand ich am Ende des Winters, dass ich alles in allem zufrieden sein konnte mit dem Resultat meiner Anstrengungen, ja ich sah sogar ein wenig optimistischer in die Zukunft, auch wenn ich spürte, dass mein Einsatz an der Heizfront einen Preis hatte, den ich womöglich noch länger abbezahlen würde.
Irgendwann im Lauf des Winters bemerkte ich einen Schmerz zunächst im linken Ellenbogen, der immer dann auftrat, wenn ich ein Holzscheit nahm und in den Ofen legte. Mit der Zeit verstetigte sich dieser Schmerz. Er trat auch bei anderen Tätigkeiten auf, strahlte in Ober- und Unterarm aus und wurde irgendwann so penetrant, dass ich fast jede Nacht aufwachte, weil mein linker Arm so sehr schmerzte. Ich versuchte den Arm zu entlasten, ohne jedoch meinen Ehrgeiz beim Heizen zu drosseln, indem ich mehr auf den rechten Arm zurückgriff. Außerdem machte ich täglich Dehn- und Lockerungsübungen, die ich mir auf Youtube angesehen hatte. Ich will nicht sagen, dass diese Maßnahmen sinnlos waren, aber sie bewirkten nicht nur keinen merklichen Rückgang der Beschwerden, sondern gegen Ende des Winters begann auch der rechte Arm vom Ellenbogen ausgehend zu schmerzen. Schließlich suchte ich eine orthopädische Praxis auf.
Tennisellenbogen hieß die Diagnose. Die Orthopäden empfahlen mir, abends Ibuprofen und Novalgin zu nehmen, um besser zu schlafen, verpassten mir Injektionen und, als diese nicht halfen, hochenergetische Stoßwellen und Ergotherapie. Unterdessen wurde es erneut Herbst, und der Krieg in der Ukraine ging weiter, ohne dass die angekündigte Sommeroffensive, wie erhofft, das Blatt zugunsten der Verteidiger gewendet hatte. Im Gegenteil, der Aggressor schien immer mehr die Oberhand zu gewinnen.
Man müsse Geduld haben, sagten die Orthopäden. Die heilende Wirkung der Stoßwellen zeige sich erst nach mehreren Wochen. Als ich ihnen zwei Monate später berichten musste, dass der linke Arm seit der Behandlung sogar mehr weh tat als vorher und zehn Einheiten Ergotherapie auch nur wenig bewirkt hatten, waren sie kurz ratlos. Nun verordneten sie mir neue Behandlungen: Galvanisation, Iontophorese und Ultraschalltherapie. Doch nach drei Sitzungen schmiss ich die Flinte ins Korn, weil ich abermals keinerlei Verbesserung spürte. Mittlerweile war der Krieg in seinen zweiten Winter eingetreten.
Während sich der zweite Jahrestag der Invasion nähert, lese ich Tag für Tag von Drohnenangriffen auf die Ukraine, von der schwierigen Lage an der Front, vom langsamen, wenn auch für sie verlustreichen Vorrücken der Angreifer, und Tag für Tag befeuere ich weiterhin meine Öfen mit Holzscheiten, auch wenn meine Arme schmerzen und ich im Grunde weiß, dass mein Einsatz am Ende wohl keinen Unterschied machen wird. Aber von den Orthopäden erwarte ich auch nicht mehr viel.
Die Idee, dass sich gesellschaftliche Probleme durch massenhafte Vertreibung von Menschen lösen ließen, ist alles andere als neu. Als sich Anfang des 17. Jahrhunderts im Königreich Spanien die Anzeichen einer politischen und wirtschaftlichen Krise häuften, wurden Stimmen immer lauter, die die Vertreibung der „Moriscos“ forderten. Die Nachkommen der ehemals muslimischen Bevölkerung Spaniens seien schuld am allgemeinen Niedergang, hieß es. Sie müssten daher kollektiv des Landes verwiesen werden, sonst sei Spanien nicht mehr zu retten. Also unterschrieb König Philipp III. im September 1609 das Dekret der Ausweisung …
Die katholische Kirche hat ihn 1960 zur Ehre der Altäre erhoben: Juan de Ribera, an der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert Erzbischof von Valencia. Er war ein gebildeter Mann, ein Vorkämpfer der Gegenreformation, und sein Einfluss reichte weit über die Grenzen seiner Diözese hinaus. Als Erzbischof hatte Juan de Ribera sich nicht zuletzt mit dem Problem der „Moriscos“ auseinanderzusetzen.
Moriscos, „kleine Mauren“, nannte man damals in Spanien die Nachfahren der Muslime, die einst auf der iberischen Halbinsel heimisch gewesen, aber nach ihrer vollständigen Eroberung durch christliche Herrscher gezwungen worden waren, sich taufen zu lassen. Die Moriscos lebten in eigenen Wohnbezirken, unterschieden sich durch Kleidung und Brauchtum, manche auch durch ihre Sprache von der Mehrheit der „alten“ Christen, und standen allgemein im Verdacht, weiter dem Islam anzuhängen.
Im Dezember 1601 adressierte Juan de Ribera ein Memorandum an König Philipp III., in dem er seine jahrzehntelangen Anstrengungen, die Moriscos durch Katechese zu guten Katholiken zu machen, für gescheitert erklärte. Die Moriscos, klagte der Erzbischof, seien noch immer „Mauren, die der mohammedanischen Sekte angehören, die Vorschriften des Korans befolgen und die heiligen Gesetze der Katholischen Kirche missachten“. Schlimmer noch, die Moriscos stünden mit den Feinden Spaniens, allen voran den Türken, im Bunde. Auch am wirtschaftlichen Niedergang des Landes trügen sie Schuld und am Banditentum, welches im Königreich Valencia derartige Auswüchse angenommen habe, „dass Alt-Christen, die in Morisco-Gegenden leben, sich nachts nicht mehr vor die Tür wagen“. Die Moriscos seien wie „verwachsene Bäume, voller Knoten der Häresie“, die man am besten samt den Wurzeln herausrisse. Es gebe keine Alternative: Die Moriscos müssten des Landes verwiesen werden, schloss der knapp siebzigjährige Juan de Ribera, „oder ich werde zu meinen Lebzeiten den Untergang Spaniens mitansehen“.
Im Königreich Valencia zählten die Moriscos damals etwa 130.000 Seelen, rund ein Drittel der Bevölkerung. In allen spanischen Reichen auf der iberischen Halbinsel schätzt man ihre Zahl auf ca. 300.000, bei einer Gesamtpopulation von vielleicht 7 oder 8 Millionen. So viele Menschen auszuweisen, war eine drastische Forderung, egal ob man sie vom Standpunkt der Betroffenen betrachtete oder von dem des Staates, der diesen Massenexodus organisieren sollte. Andererseits machten die Moriscos in Summe nicht einmal fünf Prozent der Bevölkerung aus. Wie konnte diese Minderheit einen Kirchenfürsten wie Juan de Ribera derart in Verzweiflung treiben, dass er glaubte, nur ihre Ausweisung könne Spanien noch retten?
Dass Muslime – und ehemalige Muslime – unter christlicher Herrschaft lebten, war an sich nichts Neues. Im Gegenteil, auf der iberischen Halbinsel war es trotz „Reconquista“ jahrhundertelang der Normalfall gewesen, so wie auch muslimische Herrscher christliche Untertanen tolerierten. Die Kunst Andalusiens kündet noch heute von dieser „Convivencia“, dem Zusammenleben der Religionen im Mittelalter, auch wenn man sich dieses Zusammenleben nicht allzu idyllisch ausmalen sollte. Aber wenn es auch prekär war und immer wieder von Phasen des Krieges unterbrochen wurde – es funktionierte, über Jahrhunderte hinweg.
Erst als die Katholischen Könige Ferdinand und Isabella ihre Reiche vereinten und das Emirat Granada, die letzte muslimische Hochburg auf der Halbinsel, eroberten, also erst mit der Gründung des modernen spanischen Staates setzte sich die Idee durch, dass dessen Untertanen alle dieselbe katholische Religion ausüben sollen. Um diese Idee zu verwirklichen, führten die Monarchen 1478 die Inquisition ein, 1492 ließen sie die Juden ausweisen und 1502 zwangen sie die Muslime Granadas, sich taufen zu lassen oder das Land zu verlassen. Im Jahr 1526 – da herrschte bereits Kaiser Karl V. über Spanien – erging dieselbe Forderung an die Muslime in Valencia und Aragón, die dem Kaiser jedoch für viel Geld das Zugeständnis abkauften, eine gewisse Zeit an ihren Bräuchen festhalten zu dürfen. So entstand das Morisco-Problem einer nicht assimilierten, von der christlichen Mehrheitsgesellschaft misstrauisch beäugten Minderheit.
Freilich war diese Minderheit höchst heterogen. Während in entlegenen Gebirgsregionen wie den Alpujarras viele Moriscos tatsächlich der Religion ihrer Vorfahren treu blieben, nahmen andere das ihnen aufgezwungene Christentum an. Gemeinsam war jedoch allen, dass sie den unteren Schichten der Gesellschaft angehörten. Die meisten Adligen und Reichen unter ihnen, vor die Wahl gestellt zwischen Zwangstaufe und Emigration, hatten Spanien den Rücken gekehrt.
Auch die Einstellung der Alt-Christen zu den Moriscos war alles andere als einheitlich. Der Hochadel des Königreichs Valencia, dessen Ländereien vorwiegend von Moriscos bewirtschaftet wurden, wollte von der Ausweisung dieser wertvollen Arbeitskräfte nichts wissen. Auch in der Kirche gab es moderate Stimmen, die um Geduld mit den „neuen“ Christen warben. Doch je mehr das 16. Jahrhundert voranschritt, desto schriller klang der Diskurs. Die Moriscos wurden zunehmend als bedrohlicher Fremdkörper wahrgenommen. Sie vermehrten sich rascher als die Alt-Christen, hieß es, und bildeten eine fünfte Kolonne im Hinterland, die mit den zahlreichen Feinden Spaniens paktiere.
Da sie von vielen Berufen ausgeschlossen waren, war es kein Wunder, dass immer mehr Moriscos sich zum Lebensunterhalt auf den Straßenraub verlegten – insofern waren die Klagen des Erzbischofs nicht unbegründet. Gegner des valenzianischen Hochadels befürworteten die Ausweisung, weil sie hofften, diesem damit die Existenzgrundlage zu entziehen. Und im Ausland mehrten sich Stimmen, die Spaniens Selbstbild als Bollwerk des Katholizismus infrage stellten, weil es im Land so viele Ungläubige dulde. Militärische Desaster wie die Armada von 1588 gegen England und eine Reihe von Staatsbankrotten bestärkten so manchen im Gefühl, dass es mit dem spanischen Weltreich bergab ging – und dass die Ausweisung der Moriscos die einzige Rettung wäre. Juan de Ribera war nicht einmal der Extremste unter ihnen. Ein anderer Bischof schlug vor, die Moriscos zu kastrieren und nach Neufundland zu deportieren, wo sie ein gnädiger Tod ereilen mochte.
Nach jahrelangen Diskussionen ließ König Philipp III. im September 1609 das Dekret der Ausweisung verkünden – vielmehr der Vertreibung, denn viele Moriscos weigerten sich, ihre Heimat zu verlassen. Sie verschanzten sich in den Bergen, und der spanische Staat ließ tausende Soldaten aufmarschieren, die an den Widerstrebenden – Männern, Frauen und Kindern – Massaker verübten und sie an die Küsten trieben, wo schon die Galeeren warteten. Kinder wurden ihren Eltern entrissen und katholischen Familien zugewiesen. Viele Moriscos zogen der Vertreibung den Selbstmord vor, andere wurden Opfer des Meeres oder von Korsaren. Jene aber, die Nordafrika erreichten, erwartete kaum ein besseres Schicksal. Sie fielen Banditen in die Hände, die sie ausplünderten, vergewaltigten, ermordeten, und verhungerten zu Tausenden.
Als die spanische Krone die Vertreibung nach fünf Jahren für vollzogen erklärte, waren weite Landstriche entvölkert, war der ökonomische Schaden vor allem in den Königreichen Valencia und Aragón immens. Juan de Ribera hat diesen Moment nicht mehr erlebt. Er starb 1611. So blieb es ihm erspart, den Niedergang Spaniens mitanzusehen. Mit dem Weltreich ging es weiter bergab – auch nachdem die Sündenböcke vertrieben waren.
Dieser Text erschien erstmals am 22. April 2019 in der Furche.
Eigentlich hätte ich mich freuen können: In der vergangenen Woche standen zwei meiner Bücher bei Amazon auf der Bestseller-Liste. Vor allem meine Pigafetta-Übersetzung war einmal mehr stark nachgefragt, was mit der vierteiligen Magellan-Doku zusammenhängen dürfte, die derzeit auf Arte läuft. Die Doku ist mit langen Passagen aus Pigafettas Reisebericht unterlegt, und für die deutsche Synchronfassung haben sich die Produzenten meiner Edition bedient.
Ein Anlass zur Freude für den Autor und Übersetzer, sollte man meinen. Bloß ist meine Übersetzung leider in der „wbg“ erschienen. Hinter dem Kürzel steht die „Wissenschaftliche Buchgesellschaft“, die eigentlich dieser Tage ihr 75jähriges Bestehen feiern wollte. Doch stattdessen musste die „wbg“ zum 1. Januar Insolvenz anmelden, nachdem sie bereits im Oktober wegen drohender Zahlungsunfähigkeit einen entsprechenden Antrag gestellt hatte.
Inzwischen steht fest, dass die „wbg“ abgewickelt wird – ein harter Schlag für die deutsche Wissenschaftskultur wie auch für die 65 Mitarbeiter der wbg, von denen die meisten wohl nicht persönlich für die Pleite verantwortlich sind. Ein harter Schlag aber auch für einen, der als freier Autor vom Verkauf seiner Texte und Bücher lebt. Ist doch mehr als fraglich, ob ich von den Honoraren, die mir die „wbg“ seit Mitte 2022 schuldig ist, auch nur einen Teil bekommen werde.
Schmerzlicher finde ich jedoch, dass die Nutzungsrechte an meiner Pigafetta-Übersetzung beim insolventen Verlag verbleiben, das heißt bei der Insolvenzverwalterin, die anscheinend versucht, die Rechte zu veräußern, um noch etwas Geld für die Gläubiger herauszuschinden – wie altes Büromobiliar, das bei einer Zwangsversteigerung verhökert wird. Dass ich von dem Erlös wohl keinen Cent sehen werde, ist noch das kleinere Übel. Ärger ist, dass ich keinen Einfluss darauf habe, in wessen Hände die Nutzungsrechte an meinem Werk geraten werden. Vor allem aber ist völlig offen, wann die Übersetzung wieder lieferbar sein wird.
Dies ist umso beklagenswerter, als es sich hierbei um die erste handelt, die Pigafettas Text direkt aus der Originalsprache und vollständig ins Deutsche überträgt: die erste seit ziemlich genau 500 Jahren, seit Pigafetta seinen Bericht abgefasst hat. Alle bisherigen deutschen Ausgaben waren Übertragungen aus zweiter oder dritter Hand; zwei sind sogar Plagiate, und die von Robert Grün in der Edition Erdmann ist teils eine bewusste Fälschung. Das habe ich jüngst in einem Beitrag für das „Archiv für Kulturgeschichte“ nachgewiesen. (S.a. hier: So grün, wenn Spaniens Blüten.)
Umso mehr hoffe ich, dass die Nutzungsrechte an meiner Pigafetta- Übersetzung an jemanden geraten, die (oder der) den Wert dieses großartigen Textes zu schätzen weiß und ihn dem deutschsprachigen Publikum bald wieder verfügbar macht!
Update vom 20. März 2024:
Die Insolvenzverwalterin hat mittlerweile erklärt, den Verlagsvertrag, den ich mit der wbg über die Veröffentlichung der Pigafetta-Übersetzung geschlossen hatte, gemäß §103 InsO nicht erfüllen zu wollen.
Damit sind die Nutzungsrechte an mich als Urheber zurückgefallen, und ich kann selbst entscheiden, an wen ich die Rechte zur Neuveröffentlichung vergebe.
Von allen Festen, die im Jahreskreis
Sich aneinanderreihn, gefällt den meisten
Wohl Weihnachten am besten, und sie leisten
Zur Feier dieses Tages sich was weiß
Denn ich für Sachen, kaufen jeden Scheiß,
Um welchen ihre Wünsche ständig kreisten,
Verwöhnen ihre Mägen mit sehr feisten
Genüssen. Dabei scheu’n sie keinen Preis.
Was mich betrifft, so schätz’ von allen Festen
Das Weihnachtsfest ich beinah am geringsten.
Ich will mich nicht wie einen Truthahn mästen
Und die Geschenke lass ich gern den Jüngsten.
Deswegen finde ich am allerbesten
Ein anderes: Mein Lieblingsfest heißt Pfingsten!
Zugegeben, es ist keine weltbewegende Frage, aber ich interessiere mich nun mal für die Menschen, deren Bücher ich lese, und noch mehr, wenn ihre Biographien vom Schleier des Rätselhaften umgeben sind. So habe ich mich schon oft gefragt, wer eigentlich Oscar Koelliker war. Koelliker hat vor mehr als hundert Jahren ein dickes Buch veröffentlicht: „Die erste Umseglung der Erde durch Fernando de Magallanes und Juan Sebastian del Cano 1519-22 dargestellt nach den Quellen“ (Piper Verlag, München 1908). Dieses Werk aufzuschlagen, lohnt noch immer, nicht nur weil es prächtig ausgestattet ist mit Karten und Bildern, sondern auch weil es viele historische Quellen zu Magellans Expedition in deutscher Übersetzung bietet.
Man möchte daher meinen, der Verfasser sei Geograph oder Historiker von Beruf gewesen. Das ist jedoch kaum wahrscheinlich …
Denn wäre Oscar Koelliker berufsmäßiger Wissenschaftler gewesen, hätte er wohl mehr einschlägige Publikationen hinterlassen als dieses eine Buch. Nur ein weiteres Mal noch tritt er kurz in Erscheinung als Mitarbeiter von „Petermanns Geographischen Mitteilungen“. Für den 58. Band dieser traditionsreichen Zeitschrift trug er 1912 zwei Rezensionen und eine Miszelle bei, die alle um dasselbe Thema kreisen wie das Buch: die Erdumsegelung Magellans und Elcanos. Im Mitarbeiterverzeichnis von Petermanns Mitteilungen ist der Autor als „Koelliker, Oskar [sic!], Thalwil-Zürich“ aufgeführt, ohne akademischen Titel oder Berufsbezeichnung.
Oscar bzw. Oskar Koelliker scheint also ein echter „homo unius libri“ gewesen zu sein: ein Mann, der nicht mehr (aber auch nicht weniger) als ein Buch geschrieben hat. In dessen Vorwort steht denn auch alles, was wir sicher über ihn wissen: dass der Verfasser im Frühjahr 1908 in Thalwil bei Zürich lebte (oder weilte) und dass er sich viele Jahre „in Spanien, Portugal, Italien, Nord- und Südamerika“ aufgehalten hatte, „wo sich“ ihm, wie er schrieb, „die Gelegenheit bot, die einschlägige Literatur“ zur Magellan-Expedition „in den Urtexten zu studieren und zu sammeln“. Das war‘s.
Thalwil (früher auch Thalweil geschrieben) liegt am linken Ufer des Zürichsees. Anfang des 20. Jahrhunderts hatte sich das Bauerndorf in eine boomende Kleinstadt verwandelt. Bevölkerung und Wohlstand wuchsen rasant, vor allem dank einer florierenden Textilindustrie und einer Bahnlinie in die nur wenige Kilometer entfernte Kantonshauptstadt.
Der Nachname „Kölliker“ war hier seit alters geläufig, die Kombination mit dem Vornamen „Oscar“ jedoch eher selten. Und noch seltener, wenn der Träger 1908 alt genug gewesen sein soll, um dicke Bücher zu schreiben. Einen Kandidaten, der diese Voraussetzung erfüllt, hat Karl-Heinz Wionzek dingfest gemacht[1]: einen 1868 in Horgen bei Zürich geborenen Künstler, der Ende des 19. Jahrhunderts nach St. Petersburg auswanderte und sich 1907 in Frankreich niederließ, zunächst in Asnières (sur-Seine) und ab 1914 in Paris. Er ist in J.P. Zwickys „Genealogie der Familien Kölliker“[2] (unter Nr. 185) als „Oskar Kölliker … Bürger von Thalwil“ aufgeführt und in Thieme-Beckers „Allgemeines Lexikon der Bildenden Künstler“[3] als „Oscar Koelliker“, hier allerdings mit Geburtsort Neuchâtel.
Der Maler Oscar Koelliker/Oskar Kölliker nahm seinerzeit an großen Ausstellungen teil, so etwa 1907, 1910 und 1912 in den Salons der Société des Artistes Indépendants, der Société des Artistes Français 1908 und 1914 sowie in weiteren, in Frankreich und der Schweiz. Am 9. September 1941 vermeldeten die „Nouvelles de Versailles“ sein Ableben im Alter von 72 Jahren[4]. Im Internet findet man einige seiner Werke, durchweg kleinformatige Landschaften in Öl, im Stil des Impressionismus, die offenbar auch heute noch ihre Käufer finden.
Doch wie wahrscheinlich ist, dass ein Künstler, der 1907 und 1908 in Pariser Salons ausstellte, und der Verfasser eines geographisch-historischen Sachbuchs, das 1908 in München erschien, identisch sind? Wenn sie es wären: Warum findet sich dann im Buch keinerlei Verweis auf die künstlerische Tätigkeit des Autors? Müssten nicht stilistische Bezüge zwischen Buch und Malerei erkennbar sein? Warum unterschreibt Kölliker das Vorwort seines Buches mit „Thalwil-Zürich, im Frühjahr 1908“, wenn er zu diesem Zeitpunkt in Asnières lebte und nicht einmal in Thalwil geboren war? Warum findet sich auch im Mitarbeiterverzeichnis von Petermanns Geographischen Mitteilungen wieder nur die Angabe „Thalwil-Zürich“? Wie wahrscheinlich ist zuletzt, dass ein Maler ausgerechnet zu derselben Zeit, da er seinen künstlerischen Durchbruch feiert, eine nicht minder beachtliche Fleißarbeit auf dem Gebiet der Geographiegeschichte abliefert?
In einer Rezension des Buches, die im Dezember 1908 in der Neuen Zürcher Zeitung erschien, wird der Verfasser jedenfalls nur „Zürcher aus Thalwil“ und „unser Landsmann“ genannt. Von seiner künstlerischen Karriere in Frankreich wusste der Rezensent nichts zu berichten …
J.P. Zwickys „Genealogie der Familien Kölliker“ verzeichnet (unter Nr. 253) einen „Johann Oscar Kölliker“, der gleichfalls Bürger von Thalwil und dort auch wohnhaft war: „im Freihof, am See“. Dieser Johann Oscar Kölliker lebte von 1866 bis 1916 und war von Beruf Kaufmann. 1895 heiratete er Anna Huber aus Hirzel, mit der er zwei Töchter hatte. Neben seinem kaufmännischen Beruf betätigte er sich auch als Politiker, und er ließ sich offenbar mit seinem zweiten Vornamen anreden, denn von 1911 bis 1915 war ein „Oskar Kölliker“ aus Thalwil, geboren 1866 und verheiratet mit einer Huber, Mitglied des Zürcher Kantonsrats. Den Protokollen dieser Körperschaft ist auch zu entnehmen, welche Art von Handelsgeschäft Oskar Kölliker betrieb, nämlich eine „Weinhandlung“.
Überhaupt scheint Oskar Kölliker dem Feierlich-Musischen alles andere als abhold gewesen zu sein: ob Thalweil-Festspiel, Turn- oder Seesängerfest – der Weinhändler war stets vorne mit dabei, verkaufte Eintrittskarten, präsidierte in Organisationskomitees, hielt Reden, überreichte Fahnen und Lorbeerkränze, und als bei der „Schlußsitzung der Komitees für das kantonale Turnfest“ im Restaurant „Concorda“ noch „ein kleinerer Ueberschuß an Ehrenwein vorrätig war, entwickelte sich unter dem Vorsitze … des Präsidenten des Wirtschaftskomitees Herrn O. Kölliker noch einmal ein schönes Festleben, während dessen man sich der schönen Stunden des Turnfestes fröhlich erinnerte“. Bei all den Festivitäten vernachlässigte Oskar Kölliker offenbar weder seine bürgerlichen Pflichten – 1905 saß er in Winterthur, 1906 im benachbarten Pfäffikon als Geschworener im Gerichtssaal – noch seine Geschäfte. 1905 erschien im Zürcher Satireblatt „Nebelspalter“ zweimal folgende Anzeige:
Demnach importierte die Weinhandlung Kölliker direkt aus den Erzeugerländern, darunter aus Spanien (Malaga, Sherry), Portugal (Port, Madeira), Italien (Marsala) und Frankreich (Bordeaux). In welchen Sprachen wohl die Geschäftskorrespondenz geführt wurde? Halten wir einstweilen fest, dass Oskar Köllikers Geschäftspartner dieselben Sprachen sprachen, in denen auch die „Urtexte“ und „einschlägige Literatur“ zur Magellan-Expedition verfasst waren, welche ja die Grundlage für Oscar Koellikers Buch von 1908 bildeten.
Dass Oskar Kölliker, der Weinhändler, in seiner Jugend eine gründliche Ausbildung in modernen Fremdsprachen erhalten haben dürfte, darauf deutet eine andere Anzeige hin, die im April 1884 in der „Neuen Zürcher Zeitung“ geschaltet wurde:
Zum oder im „Freihof“ war der Wohnsitz Oskar Köllikers, der im April 1884 seinen 18. Geburtstag feierte. Sein Vater Johannes (1820-1891) war gleichfalls Kaufmann[5], handelte unter anderem in größerem Stil mit Kartoffeln[6]. Natürlich könnte Johannes Kölliker die Vermittlung von Schülern an das „Knabeninstitut Schmutz-Rolland“ am Genfer See einfach so als Nebengeschäft betrieben haben. Aber ist es nicht wahrscheinlicher, dass er auch seinen (einzigen) Sohn zur Ausbildung in dasselbe Institut gab, für das er als Vermittler tätig war? Zumal ja dessen Lehrangebot – „Hauptstudium: Französisch, Italienisch, Englisch und kaufmännische Fächer“ – perfekt auf das Anforderungsprofil eines zukünftigen Weinimporteurs zugeschnitten war.
Ob nun Absolvent des Instituts Schmutz-Moccand oder nicht – jedenfalls dürfte Oskar Kölliker, der Weinhändler, seine schulische Ausbildung Mitte der 1880er Jahre beendet haben. Demnach wäre ihm bis zu seiner Heirat mit Anna Huber im Dezember 1895 reichlich Zeit geblieben für jene langjährigen Aufenthalte „in Spanien, Portugal, Italien, Nord- und Südamerika“, von denen Oscar Koelliker, der Buchautor, im Vorwort schreibt. Und für einen angehenden Weinimporteur wäre es ja auch naheliegend gewesen, Reisen in Wein produzierende Länder zu unternehmen – um Sprach- und Fachkenntnisse zu vertiefen und um Geschäftskontakte zu knüpfen.
Weinhändler, Bieraktionär, Immobilienbesitzer, Gemeinde- und Kantonsrat, Schöffe, Organisator von Festspielen, Turn- und Seesängerfesten … Oskar Kölliker aus Thalwil war offenbar ein vielseitiger Mensch und ein rechter Gschaftlhuber, dem man auch zutrauen würde, dass er ein Buch wie „ Die erste Umseglung der Erde durch Fernando de Magallanes und Juan Sebastian del Cano 1519-22“ publiziert hat. Kölliker müsste das Buch nicht einmal selbst geschrieben, er könnte auch einen Ghostwriter beauftragt haben. Allerdings sind ihm als Weinimporteur die nötigen Sprachkenntnisse ohne weiteres zuzutrauen, wie er auch die im Vorwort erwähnten Reisen unternommen haben könnte; zugleich verfügte er als wohlhabender Kaufmann anscheinend über die nötige Muße, um sich neben seinen Geschäften auch anderen Dingen zu widmen. Somit besteht kein Anlass, dem umtriebigen Weinhändler Oskar Kölliker die Autorschaft des Buches abzusprechen.
Auch sein frühes Ableben – Kölliker starb 1916 gerade 50jährig[7] – widerspricht dieser Hypothese nicht, datieren seine beiden einzigen Publikationen über Magellan doch von 1908 und 1912. Danach hat man nichts mehr von Oscar Koelliker, dem Buchautor, gehört.
[1]Karl-Heinz Wionzek (Hrsg.), Another Report about Magellan’s Circumnavigation of the World. The Compilation by Fernando Oliveira. Revised and Expanded Edition, Manila 2021, S. 20 Anm. 18.
Den Alten hab ich länger nicht getroffen.
Wir gingen früher öfter auf ein Bier.
Ich seh ihn gerne, spricht er doch mit mir
Als wie von Mensch zu Mensch und klagt mir offen
Sein Leid. So wage er nicht mehr zu hoffen,
Dass seine letzte Schöpfung: nämlich wir
Uns jemals anders aufführn als ein Tier
und friedlich leben, ohne uns zu zoffen.
Schon damals, als er mir dies offenbarte,
Da wusste ich ihm wenig Trost zu spenden,
Obwohl ich nicht an Argumenten sparte.
Er griff nach seinem Bier mit beiden Händen
Und sprach betrübt: „Bei meinem grauen Barte!
Ich werde das Projekt wohl bald beenden.“
Er will mit hundertfünfzig Kilometer
Pro Stunde unsre Autobahn befahren.
Was man da spart an Zeit im Lauf von Jahren,
Die man am Steuerrad verbringt! Und steht der
Verkehr, dann ists die Schuld der Schreibtischtäter
In den Behörden, die zu säumig waren
Im Straßenbau, verkündet mit Fanfaren
Der fesche Landeshauptfrau-Stellvertreter.
Der appelliert nicht nur an rechte Ränder
Mit seinem populistischen Gezeter.
Er setzt vielmehr die Nationalagenda.
Denn auch der Kanzler hat präzis erkannt:
Wir bleiben "weiterhin ein Autoland".
Drum geht man hier zu Fuß nicht einen Meter.