Der Heilige Hiob auf Timor

Veröffentlicht am 23. März 2020

Am 25. Januar 1522 erreichte der italienische Ritter Antonio Pigafetta auf dem spanischen Dreimaster Victoria die Insel Timor. Pigafetta und seine Gefährten waren nicht die Ersten, die aus Europa nach Timor kamen. Portugiesische Schiffe liefen die Insel bereits seit ein paar Jahren immer wieder an, um ihren wichtigsten Exportartikel einzukaufen: Sandelholz. Die Victoria war allerdings das erste Schiff, das Timor, ja überhaupt Asien von Westen kommend ansteuerte, auf dem langen Weg um die Südspitze Amerikas herum und über den Pazifik. Und Pigafetta war der erste europäische Autor, der eine Beschreibung der Insel lieferte – in seinem „Bericht über die erste Umrundung der Erde“, den er nach der Rückkehr verfasste.

Karte von Timor aus Pigafettas Bericht. Süden ist oben. Bild: Wikimedia Commons

Neben anderen Details über die Lebensweise der Einheimischen, ihre Kleidung und Ernährung, die Sandelholzproduktion und die Herrschaftsverhältnisse auf Timor berichtete Pigafetta auch von einer Krankheit, die auf allen Inseln des Malaiischen Archipels grassiert habe, besonders stark aber auf Timor. Pigafetta nannte diese Krankheit „das Leiden des Heiligen Hiob“. Die Einheimischen würden sie allerdings „for franchi“ nennen, „das heißt portugiesische Krankheit“.

Frühe Darstellung eines Syphilis-Kranken. Albrecht Dürer zugschrieben. Bild: Wikimedia Commons

„Leiden des Heiligen Hiob“: Das war im Europa der Frühen Neuzeit ein Name für die Syphilis, eine Seuche, die am Ende des 15. Jahrhunderts erstmals in Italien massenhaft ausgebrochen war und von der man annimmt, dass Rückkehrer der Columbus-Expeditionen sie aus Amerika eingeschleppt hatten. Pigafettas Bericht zeigt, dass die Syphilis ein Vierteljahrhundert später bereits den äußersten östlichen Rand der „Alten Welt“ erreicht hatte, mutmaßlich an Bord portugiesischer Schiffe, waren diese bis dato doch die einzigen, die den Seeweg zwischen Europa und Asien befuhren. Daher nannten die Einheimischen sie „portugiesische“ oder wörtlich „fränkische Krankheit“.

Mit dem Adjektiv „fränkisch“ wurden in Indien und Südasien seit etwa der Zeit Karls des Großen allgemein Fremde belegt, die aus Europa kamen. Zu Anfang des 16. Jahrhunderts waren das mehrheitlich Portugiesen, die durch Schiffs- und Geschlechtsverkehr einen Beitrag zur „unification microbienne du monde“ (Emmanuel Le Roy Ladurie) leisteten, zur „mikrobiellen Vereinigung der Welt“ im beginnenden Zeitalter der Globalisierung. In der vedischen Medizin heisst die Syphilis übrigens auch heute noch „firanga roga“: fränkische Krankheit.