Magellan-Mythen

Veröffentlicht am 8. März 2019

Wir wissen nicht allzu viel über Magellan, jenen Ritter portugiesischer Herkunft, der im September 1519 als Befehlshaber einer kleinen spanischen Flotte in See stach, um einen neuen Seeweg zu den Molukken zu erschließen, den Gewürzinseln in Südostasien. Aus seinem Leben vor dieser Reise, die seinen Namen unsterblich machen sollte, sind nur spärliche Daten bekannt. Manch einer hat versucht, die Lücken mit Legenden zu füllen. So ist mit der Zeit ein Magellan-Mythos entstanden, reich an Ausschmückungen und spekulativen Elementen, die in Ermangelung harter Fakten weitererzählt werden.

So liest man oft, Magellan sei (um) 1480 im nordportugiesischen Dorf Sabrosa geboren. Allein die Jahreszahl ist nicht mehr als bloße Vermutung. Magellan lebte in einer Zeit, die sich noch nicht dem Datensammeln verschrieben hatte. Es gab weder Geburtsurkunden noch Kirchenbücher, geschweige denn Melderegister. Das älteste gesicherte Dokument, das eindeutig auf seine Person verweist, ist eine Mannschaftsliste aus dem Jahr 1505. Damals schiffte Magellan sich auf der Flotte des Vizekönigs Dom Francisco de Almeida von Lissabon nach Indien ein. Über sein Alter zu diesem Zeitpunkt verrät die Liste nichts, außer dass er wohl kein Knabe mehr war.

Sicher ist hingegen, dass Magellan der namhaften Adelssippe der Magalhães entstammte, die ihren Stammsitz in der Terra da Nóbrega hatte und deren zahlreiche Familienzweige sich über weite Teile Nordportugals erstreckten. Der Vorname Fernão war in der Familie offenbar sehr beliebt: Im 15. und 16. Jahrhundert lässt sich ein halbes Dutzend verschiedener Träger des Namens „Fernão de Magalhães“ ausmachen – was es naturgemäß erschwert, den „richtigen“ Magellan ausfindig zu machen.

Anfang einer Schenkungsurkunde vom 19. März 1519, durch die Magellan seiner Schwester Ysabel das elterliche Landgut überschrieb. Bild: Archivo Histórico Provincial de Sevilla

Die beiden wichtigsten Dokumente, die ein wenig Licht in das Dunkel von Magellans Herkunft bringen, stammen aus dem Jahr 1519 – dem Jahr seiner Abreise zu den Molukken. Das eine ist sein Testament, das die Namen seiner Eltern und Geschwister nennt, darunter den seiner Schwester Ysabel. Das zweite ist ein Schenkungsvertrag zugunsten eben dieser Schwester. Ihr vermachte Magellan vor seiner Abfahrt das Landgut, das er als Erstgeborener von seinen bereits verblichenen Eltern Rui und Alda geerbt hatte. Das Landgut befand sich in Vila Nova de Gaia, unweit von Porto südlich des Douro, und umfasste Weinberge, Kastanienhaine und Äcker zum Getreideanbau. Wenn man über den Ort spekulieren möchte, wo Magellan geboren wurde und aufwuchs, dann sprechen die Fakten eindeutig für Porto beziehungsweise Vila Nova de Gaia. Das Dorf Sabrosa hat Magellan wahrscheinlich nie betreten.

Der Schenkungsvertrag lag fast ein halbes Jahrtausend im Archiv der Notare von Sevilla verborgen. Erst vor wenigen Jahren haben Historiker überhaupt Notiz von ihm genommen. Außer wenigen Fachleuten dürfte er kaum jemandem bekannt sein. In meinem Buch „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“ habe ich dieses Dokument – so wie eine Vielzahl anderer – natürlich berücksichtigt. In diesem Buch hinterfrage ich den schon so oft erzählten Magellan-Mythos mittels Quellenkenntnis und -kritik. Damit versuche ich zu zeigen, dass Magellans Geschichte auch ohne spekulative Ausschmückungen und Legenden erzählenswert ist:

Bild: Verlag C.H. Beck

Christian Jostmann: Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde. 336 S., mit 11 Abb. und 2 Karten. Verlag C.H. Beck, München 2019. 24,95 Euro (D).

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