Die vielen Leben des Oscar Koelliker

Eine Spurensuche in der Schweiz

Veröffentlicht am 16. November 2023

Zugegeben, es ist keine weltbewegende Frage, aber ich interessiere mich nun mal für die Menschen, deren Bücher ich lese, und noch mehr, wenn ihre Biographien vom Schleier des Rätselhaften umgeben sind. So habe ich mich schon oft gefragt, wer eigentlich Oscar Koelliker war. Koelliker hat vor mehr als hundert Jahren ein dickes Buch veröffentlicht: „Die erste Umseglung der Erde durch Fernando de Magallanes und Juan Sebastian del Cano 1519-22 dargestellt nach den Quellen“ (Piper Verlag, München 1908). Dieses Werk aufzuschlagen, lohnt noch immer, nicht nur weil es prächtig ausgestattet ist mit Karten und Bildern, sondern auch weil es viele historische Quellen zu Magellans Expedition in deutscher Übersetzung bietet.

Man möchte daher meinen, der Verfasser sei Geograph oder Historiker von Beruf gewesen. Das ist jedoch kaum wahrscheinlich …

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Adiós, Magellan!

Veröffentlicht am 31. Januar 2023

Mehr als sechs Jahre lang bin ich ihm gefolgt: dem portugiesischen Ritter in spanischen Diensten und Heros der europäischen Seefahrt, Ferdinand Magellan, bin den Spuren nachgegangen, die er und seine verwegene Mannschaft in Archiven hinterlassen haben, bin lesend und recherchierend mit ihnen um die ganze Welt gereist. Früchte dieser Arbeit waren – nebst vielen Artikeln und Radio-Beiträgen – zwei Bücher, die offenbar beide ihre Leserinnen und Leser gefunden haben: die Monographie „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“, mittlerweile in 4. Auflage bei C.H. Beck Paperback erhältlich, und meine Neuübersetzung von Antonio Pigafettas legendärem Reisebericht, die erste vollständige und originalgetreue ins Deutsche. Unter dem Titel „Die erste Reise um die Welt. An Bord mit Magellan“ erschien sie 2020 bei der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft und war kurz vor Weihnachten schon zum zweiten Mal vergriffen (ist aber inzwischen ebenfalls wieder bestellbar).

Das war es, was am Ende zählte: Karte von Maluku aus Antonio Pigafettas Reisebericht mit Gewürznelkenbaum.
Bild: Wikimedia Commons

Diese Geschichte zu erkunden und zu erzählen, war spannend, war lehrreich und hat vor allem mächtigen Spaß gemacht. Aber nach mehr als sechs Jahren ist es nun genug und an der Zeit, sich anderen Dingen zu widmen – oder um es mit einer Metapher aus dem (an Metaphern bekanntlich nicht armen) Reich der Seefahrt zu auszudrücken: Zeit ist es, zu neuen Ufern aufzubrechen.

Wohin die Reise geht, wird noch nicht verraten, nur mit gebührender Rührung Abschied genommen:

¡Que tenga Ud. buen viaje, comendador!

(PS: Ihre Fragen zum Thema beantworte ich, soweit ich kann, natürlich weiterhin: Kontakt.)

Auf der Suche nach Hans

Veröffentlicht am 23. Dezember 2021

In seinem Frühneuzeitroman „Eine Geschichte des Windes“ erzählt Raoul Schrott „Von dem deutschen Kanonier, der erstmals die Welt umrundete und dann ein zweites und ein drittes Mal“. Unlängst erhielt ich die Anfrage, ob es diesen Kanonier tatsächlich gegeben und die Geschichte des Romans somit einen wahren Kern habe.

Ja, hat sie. Eine andere Frage ist, wie groß dieser Kern ist und wie fest.

In den Heuerlisten von Magellans Molukken-Expedition, die im spanischen „Indienarchiv“ in Sevilla verwahrt werden, finden sich die Namen von drei Männern, die mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Deutsche waren. Sie alle wurden als „Lombarderos“ angeheuert, das heißt als Geschützmeister, die sich auf die Bedienung schwerer Feuerwaffen verstanden (vom Wort „lombarda“, das im damaligen spanischen Sprachgebrauch einen schweren Geschütztyp bezeichnete; vgl. deutsch „Bombarde“). Einer der drei Männer hieß „Jorge“, also Georg, die anderen trugen beide den Namen „Hans“ bzw. „Hanse“.

Bombarde des 15. Jahrhunderts im Museu Marinha Lisboa
Bild: Hispalois, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Offenbar hatten die spanischen Schreiber es nicht so mit deutschen Namen. Mal buchstabierten sie „Hans“, mal „Hanse“, dann wieder „Anes“ (sprich „Hannes“). Doch unsere beiden „Hanse“ lassen sich trotzdem gut auseinanderhalten. Erstens wurden in den Heuerlisten auch die Namen ihrer Herkunftsorte und Eltern verzeichnet, und zweitens dienten sie auf verschiedenen Schiffen, Hans Nummer 1 als „condestable“, das heißt Chef der Artillerie, auf der Nao Concepción und Hans Nummer 2 als „lonbardero“ (sic!) auf der Nao Vitoria. Dieser zweite Hans war „gebürtig aus Agan“, was gemeinhin mit „Aachen“ gleichgesetzt wird.

Als die Nao Vitoria Anfang September 1522 nach fast dreijähriger Odyssee rund um den Globus – der ersten historisch belegten Umrundung der Erdewieder einen spanischen Hafen anlief, befand sich unter den 21 Überlebenden an Bord auch ein „Anes lonbardero“. Dass dies Hans 2 war, der mutmaßliche Aachener, geht aus der Endabrechnung seiner Heuer hervor, wo aufgeführt ist, dass er während der gesamten Fahrt auf der Vitoria gedient hatte, am Ende im Rang einescondestable“.

Eintrag für „Hans lonbardero natural de agan“ im Heuerbuch der Magellan-Armada
Bild: Archivo General de Indias, CONTRATACION,5090,L.4, f. 47r(Ausschnitt)

Im übrigen umrundete auch Hans Nummer 1 die Erde, allerdings nicht an Bord der Vitoria. Der in den Dokumenten zumeist Hanse Vargue“ (sprich „Hans Barge“) Genannte geriet auf den Molukken in portugiesische Gefangenschaft. Jahre später, 1526, gelang ihm auf einem portugiesischen Schiff die Rückkehr nach Lissabon, wo er kurz darauf im Kerker starb.

So weit, so gut – oder ungut. Aber wie steht es mit der zweiten und dritten Umrundung der Erde?

Dass der Geschützmeister Hans aus Aachen ein zweites Mal um die Welt gesegelt und damit der erste Mensch sei, dem solches gelang, liest man nicht nur im Roman von Raoul Schrott, sondern auch auf Wikipedia. Zum Beleg wird dort auf das Buch „The First Circumnavigatorsverwiesen, in dem der amerikanische Forscher Harry Kelsey Geschichten über „die ersten Weltumsegler“ zusammengetragen hat. Darin erfährt man, dass besagter Hans auch auf der zweiten spanischen Molukken-Expedition anheuerte, die 1525 unter dem Kommando von García Jofre de Loaísa in See stach. Diese Expedition nahm ein sehr unglückliches Ende.

Nur eines von sechs Schiffen erreichte die Molukken, keines kehrte nach Europa zurück. Lediglich ein paar versprengte Überlebende fanden Mitte der 1530er Jahre, so wie zehn Jahre zuvor die letzten Veteranen der Magellan-Expedition, auf portugiesischen Schiffen den Weg zurück in die Heimat. Einer davon war Andrés de Urdaneta, der später eine gewisse Berühmtheit erlangen sollte, weil er zu den ersten Europäern zählte, denen die Überquerung des Pazifik von Westen nach Osten gelang. Aber das war erst 1565 und ist eine andere Geschichte.

Nachdem Urdaneta 1536, auf dem Weg über Indien, von den Molukken nach Europa zurückgekehrt war (und damit gleichfalls die Erde umrundet hatte), schrieb er einen Bericht über die gescheiterte Loaísa-Expedition. Unter den Teilnehmern erwähnt er einen gewissen maestre Ans, condestable de los lombarderos“, also sinngemäß „Meister Hans, Chef der Artilleristen“. Über diesen „Meister Hans“ sagte Urdaneta aus, dass er zuvor schon mit Magellan zu den Molukken gefahren sei. Es kann sich dabei nur um Hans aus Agan/Aachen (Hans 2) handeln, weil dessen Namensvetter (Hans 1) ja bis 1526 in portugiesischer Gefangenschaft verblieb und dort starb.

Die Teilnehmer der Loaísa-Expedition von 1525, die es bis zu den Molukken geschafft hatten, lieferten sich dort einen jahrelangen, blutigen Kleinkrieg mit den Portugiesen. In diesem Zusammenhang erfahren wir aus Urdanetas Bericht über Meister Hans, dass er 1529 mit einigen seiner Kameraden zu den Portugiesen übergelaufen sei. Was danach aus ihm wurde, ist nirgends dokumentiert. Nur eine Handvoll von Loaísas Leuten schaffte es am Ende, über Portugiesisch-Indien nach Europa zurückzukehren. Und wiederum nur von einigen sind die Namen überliefert. Ein Hans, „Anes“ oder „Ans“ ist nicht darunter.

Keine Tropenidylle: Krieg um Gewürze auf den Molukken, Anfang 17. Jh.
Bild: HHEHUM, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Nun ist die Loaísa-Expedition nicht annähernd so gut dokumentiert und erforscht wie ihre Vorgängerin, die Armada des Magellan. Es könnte daher sein, dass noch irgendwo im Indienarchiv ein Aktenbündel herumliegt, aus dem wir mehr über das weitere Schicksal des Geschützmeisters Hans erfahren würden. Doch zumindest in den digitalisierten Beständen, die über das „Portal der spanischen Archive“ zugänglich sind, war nichts dergleichen zu finden.

Worauf stützt sich also die Behauptung, dem Hans aus Agan/Aachen sei ein zweites Mal die Umrundung der Erde geglückt?

Harry Kelsey verweist in seinem Buch „The First Navigators“ auf einen weiteren Expeditionsbericht, der, handgeschrieben und ohne Nennung des Autors, unter der Signatur Add. MS 9944 in der British Library aufbewahrt wird. Von diesem Bericht wurde bisher nur ein Teil gedruckt, aber erfreulicherweise hat die australische Nationalbibliothek ein vollständiges Digitalisat ins Netz gestellt. Der Bericht handelt im wesentlichen von einer weiteren spanischen Ostasien-Expedition, die 1542 unter dem Kommando von Ruy López de Villalobos von Neu-Spanien aus, dem heutigen Mexiko, in See stach, um die Philippinen anzusteuern.

Tatsächlich wird darin (Kapitel 31, f. 55v) abermals ein deutscher Geschützmeister namens Hans erwähnt, nämlich „un lombardero alemán llamado mahestre Anse“ (an anderer Stelle als „artillero mahestre Ans“). Dieser Hans half den Teilnehmern der Villalobos-Expedition mit einem von ihm bedienten Geschütz aus der Patsche, als sie auf den Inseln Sarangani und Balut, an der Südostspitze Mindanaos, von einheimischen Kriegern bedrängt wurden. (Die Spanier waren anscheinend am Verhungern und steuerten daher die Inseln an, um Nahrungsmittel notfalls zu rauben, was sich die Einheimischen, wenig verwunderlich, nicht gefallen ließen.)

Wenn ich richtig sehe, war es diese Erwähnung, die Harry Kelsey veranlasst hat, jenem Hans aus Agan/Aachen, der 1519 bis 1522 auf der Nao Vitoria die Erde umrundete, noch eine zweite komplette Erdumsegelung zuzuschreiben. Denn wenn derselbe Hans sich 1542 unter López de Villalobos auf die Philippinen einschiffte, musste er ja zuvor von den Molukken, wo seine Anwesenheit 1529 dokumentiert ist, nach Mexiko gelangt sein, zum Ausgangspunkt der Villalobos-Expedition. Da die West-Ost-Überquerung des Pazifik bis dato keinem europäischen Schiff gelungen war, konnte er dorthin nur auf dem Weg über Indien und Europa gelangt sein, das heißt indem er ein weiteres Mal die Erde umrundete.

Portugiesische Nao des frühen 16. Jhs.
Bild: Lisuarte de Abreu, Public domain, via Wikimedia Commons

Kelsey macht diese Argumentation nirgends explizit, aber sie ist die einzige schlüssige Begründung für seine Behauptung, die ich mir denken kann. Einen anderen Hinweis, zum Beispiel Heuerlisten, wie sie von der Magellan-Expedition überliefert sind, habe ich bisher nirgends entdecken können. Zwingend ist diese Argumentation freilich nicht und die zweite Erdumrundung von Meister Hans in meinen Augen daher nicht als historische „Tatsache“ anzusehen.

Zwar gibt es belastbare Belege dafür, dass ein Hans aus „Agan“ (Aachen?) an Magellans Molukken-Expedition von 1519 teilnahm, auf der Nao Vitoria die Erde umrundete und 1522 nach Spanien zurückkehrte, sich 1525 unter Loaísa abermals zu den Molukken einschiffte und sich bis mindestens 1529 dort aufhielt. Aber dieser Hans muss nicht derselbe Hans sein, der 1543 auf Sarangani sein Geschütz in Stellung brachte.

Jedenfalls lässt sich aus der Namensgleichheit nicht zwingend auf die Identität der Person schließen, selbst wenn beide denselben Beruf des Geschützmeisters ausübten. Dafür war Hans seinerzeit einfach ein zu häufiger Name, wie man ja schon daran sieht, dass auf Magellans Expedition gleich zwei „Hanse“ mit demselben Metier anheuerten – ganz abgesehen von ihren zahlreichen spanischen und italienischen Namensvettern, all den Juans und Giovannis, die ebenfalls mitfuhren. Aus der Geschichte der Frühen Neuzeit und mehr noch des Mittelalters kennt man dieses Phänomen zur genüge: die Häufung gleicher Namen ohne weitere Spezifizierung, die bei der Identifizierung von historischen Individuen Probleme macht und oft zu Fehlschlüssen verleitet.

Aber selbst, wenn der Hans von 1519/29 und jener von 1542 dieselbe Person waren, was ja immerhin möglich ist: Wer sagt, dass dieser Hans, nachdem er 1529 auf den Molukken zu den Portugiesen übergelaufen war, überhaupt nach Europa zurückgekehrt ist? Von anderen Teilnehmern der Expedition, die in portugiesische Gefangenschaft geraten waren, weiß man, dass sie bereitwillig in Asien blieben. Einzelne gründeten dort sogar Familien, andere reisten weiter, zum Beispiel nach China. Rein theoretisch könnte unser Hans daher auch in Südostasien geblieben und, auf welchem Wege auch immer, auf die heutigen Philippinen gelangt sein, wo er sich wieder den Spaniern angeschlossen hätte, die 1543 dort landeten.

Was von weitem wie eine „historische Tatsache“ aussieht, entpuppt sich bei näherer Betrachtung oft als grobkörniges, unscharfes Gebilde mit wenigen klaren Konturen, aber dafür umso mehr Schattierungen und grauen Flächen, die sich für Projektionen aller Art eignen. Was nach meinem Verständnis den Historiker vom Dichter – und die Historikerin von der Dichterin – unterscheidet, ist die Art und Weise, wie wir mit dieser Sachlage umgehen. Auch wir müssen Leerstellen in der Überlieferung überbrücken, zuweilen unscharfen Dingen klarere Konturen geben, müssen dabei aber stets den Unterschied kenntlich machen zwischen dem, was durch die Quellen, Dokumente, archäologische Funde usw. vorgegeben ist, und den Gedanken, die wir aus diesen Gegebenheiten entwickeln. Ich denke, dieser Unterschied ist wichtig.

Daher mein Fazit: Es ist durchaus möglich, dass der Geschützmeister Hans aus Agan (Aachen?), der 1519 bis 1522 auf der Nao Vitoria die Erde umrundete, dies zwischen 1525 und 1535 ein zweites Mal tat. Erwiesen ist es (bisher) nicht.

Mit Magellan und Pigafetta (noch nicht) nach Reutlingen

Aktualisiert am 21. Juni 2021

ACHTUNG: LESUNG VERSCHOBEN!

Bild: Verlag C.H. Beck

Der gute Magellan wollte eigentlich im Herbst 1518 zu seiner Molukken-Fahrt aufbrechen. Tatsächlich in See gestochen ist er ein Jahr später, im September 1519. So war auch ich letzte Woche noch optimistisch, dass am 24. Juni eine seit langem geplante Lesung aus meinem Buch Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde und aus Antonio Pigafettas Bericht über Die Erste Reise um die Welt in der VHS Reutlingen stattfinden würde. Doch nun mussten wir die Veranstaltung leider verschieben – im Verschieben sind wir inzwischen Routiniers – und zwar auf den 10. März 2022. Also bitte vormerken für nächstes Frühjahr!

Stefan Zweig in der Diskussion

Am 16. Juni habe ich im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek mit Arnhilt Inguglia-Höfle, Bernhard Fetz und Arturo Larcati über den Autor Stefan Zweig und seine Welt diskutiert. Maria Happel hat Texte von Stefan Zweig vorgelesen. Ich fand es sehr anregend, mit ausgewiesenen Fachleuten über einen Schriftsteller zu sprechen, der bis heute mit seinen Werken – nicht zuletzt dem Roman Magellan – das Bild prägt, das sich viele Menschen von der Geschichte machen. Interessierte können die Diskussion hier oder auch hier nachverfolgen.

Quantitative Rezensionsmethoden?

Eines der wichtigsten deutschsprachigen Rezensionsjournale für die Geschichtswissenschaft, die „Sehepunkte“, hat meine Pigafetta-Neuübersetzung mit einer Besprechung gewürdigt. Das freut mich natürlich außerordentlich. Aber ich musste mich auch wundern, nach welchen Kriterien dort Bücher rezensiert werden. Um zu überprüfen, ob meine Übersetzung tatsächlich die erste vollständige (und originalgetreue) in deutscher Sprache sei, hat der Rezensent sich doch tatsächlich die Mühe gemacht, die Seitenzahlen der älteren Ausgaben von Pigafettas Text mit dem Umfang meiner Neuübersetzung zu vergleichen! Und nachdem er festgestellt hat, dass jene mehr Seiten haben, „erscheint es“ ihm „unwahrscheinlich, dass die beiden letzteren größere Teile der Originaltexte ausgelassen haben“. Na denn! So ganz dürfte der Rezensent seinen quantitativen Methoden allerdings selbst nicht trauen, denn er räumt ein: „Es kann durchaus sein, dass Jostmanns Übersetzung textgetreuer ist.“

Hitler, Magellan und Stefan Zweig

Veröffentlicht am 21. Mai 2021
Weltverbrecher
Bild: Styiabooks

Diese Woche ist in der österreichischen Wochenzeitung „Die Furche“ meine Rezension von Roman Sandgrubers Buch „Hitlers Vater. Wie der Sohn zum Diktator wurde“ zu lesen: vordergründig eine Biografie des Zollamt-Oberoffizials Alois Hitler geb. Schicklgruber, de facto jedoch eine sachkundige Sozialgeschichte Oberösterreichs an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert, die mit einigen Mythen um Herkunft und Kindheit des späteren Reichskanzlers und „Führers“ aufräumt.

Welterkunder
Bild: Wikimedia Commons

Aus Anlass von Ferdinand Magellans 500. Todestag am 27. April 2021 hat Andrea Lueg über den „Pionier der Globalisierung“ ein höchst hörenswertes Radiofeature produziert, zu dem ich ein Interview beisteuern durfte. Es wurde auf SWR2 ausgestrahlt und kann hier nachgehört werden.

Weltautor

Am 16. Juni diskutiere ich im Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek mit Bernhard Fetz und Arturo Larcati über Stefan Zweig und seinen „Magellan“. Der 1938 erschienene Roman ist nicht nur eines der weltweit meistgelesenen Bücher über den portugiesischen Seefahrer, sondern auch voll von rassistischen Stereotypen.  Die Diskussion  wird per Live-Stream im Internet übertragen.

Die Zeichen der Zeit

Veröffentlicht am 20. März 2021

Dieses Foto wurde heute vormittag ca. 25 Kilometer nördlich von Wien aufgenommen, knapp vor dem astronomischen Frühlingsanfang um 10:37 Uhr MEZ:

Was es sonst noch Neues gibt?

Meine Neu-Übersetzung von Antonio Pigafettas  Weltreisebericht, die seit Weihnachten vergriffen bzw. nur als „Book on Demand“ erhältlich war, ist endlich wieder lieferbar. Für alle, die es noch nicht wissen: Es ist die erste vollständige, orignalgetreue und farbig illustrierte deutsche Übersetzung dieses überaus lesenswerten Buches aus dem Jahr 1524.

Und am Dienstag, den 16. März 2021, jährte sich zum 500. Mal der Tag, an dem europäische Seefahrer erstmals der heutigen Philippinen ansichtig wurden.  Daniela Wakonigg hat aus dem Anlass für den WDR ein so stimmungsvolles wie nachdenklich stimmendes „Zeitzeichen“ produziert, zu dem ich ein Interview beisteuern durfte: hier nachzuhören.

Weiße Götter, braune Naturkinder

Kritische Anmerkungen zu Stefan Zweigs biografischem Roman Magellan. Der Mann und seine Tat

Veröffentlicht am 26. November 2020

Als ich dem Verlag C.H. Beck im Frühjahr 2016 vorschlug, ein Buch über Magellan und die erste historisch bezeugte Weltumrundung zu machen, ahnte ich nicht, dass mich der Mann und die Taten, die ihm nachgesagt werden, fast fünf Jahre später noch beschäftigen würden. Das Buch, das pünktlich zum 500. Jahrestag von Magellans Aufbruch Richtung Ostasien 2019 herauskam, ist inzwischen in dritter Auflage erhältlich und in seinem Kielwasser segelt seit vergangenem September ein weiteres: meine Neu-Übersetzung des Reiseberichts von Antonio Pigafetta, die erste vollständige und originalgetreue Übersetzung dieses höchst lesenswerten Textes in die deutsche Sprache. Anscheinend bewegen die Abenteuer frühneuzeitlicher Seefahrer auch die Menschen des 21. Jahrhunderts – und bewegen sie sogar dazu, Bücher zu verlegen und zu lesen!

Stefan Zweig
Bild: Brazilian National Archives, Public domain, via Wikimedia Commons

Aber welche Bücher? Im Zuge meiner Recherchen für das Magellan-Buch las ich natürlich auch Stefan Zweigs romanhafte Darstellung des Stoffes aus den 1930er Jahren, abermals nicht ahnend, dass auch dieser Mann und seine schriftstellerische Tat mich noch Jahre später geistig in Beschlag nehmen würden. Vor allem war mir nicht bewusst, wie sehr die literarische Figur Magellan, die Stefan Zweig erschaffen hat, bis heute das Bild prägt, das sich viele Menschen von der historischen Person machen, die dahinter steht: dem portugiesischen Ritter Fernão de Magalhães.

Nun ist die Unterscheidung von Literatur und Geschichte eine künstliche und unscharfe. Die Grenzen zwischen beiden Genres sind fließend. Das kann man sehr gut an Zweigs Magellan und der Rezeption seines Buchs studieren. Zweig hatte seinen Stoff gründlich recherchiert, und die äußere Handlung seiner Erzählung entspricht weitgehend dem, was zu seiner Zeit in der nicht-fiktiven Literatur – also in dem, was wir heute Sachbücher nennen – über Magellan und die erste Erdumsegelung nachzulesen war. In der Einleitung erklärte Zweig ausdrücklich, er habe Magellans Geschichte „nach allen erreichbaren Dokumenten möglichst der Wirklichkeit getreu“ dargestellt. Seine Leserinnen und Leser könnten daher auf die Idee kommen, ein literarisch geschriebenes Sachbuch („literary non-fiction“) in den Händen zu halten, das den Maßstäben historischer Kritik standhält und ein realistisches Bild der erzählten Zeit, der Welt des 16. Jahrhunderts, zeichnet. Doch das ist mitnichten der Fall.

Fiktives Portät Magellans vom Ende des 16. Jahrhunderts.
Bild: Crispijn van de Passe, Public domain, via Wikimedia Commons

Aus der Sicht historischer Wissenschaft, zumal des 21. Jahrhunderts, ist Zweigs Magellan ein durch und durch anachronistischer Text. Während die äußere Handlung im 16. Jahrhundert spielt und die meisten der geschilderten Ereignisse durch historische Quellen verbürgt sind, sind Zweigs Aussagen über die Psyche seines Helden und das, was man sein inneres Drama nennen kann, pure Fiktion. Dasselbe gilt für viele kausale Zuschreibungen, die der Autor vornimmt, das heißt seine Erklärungen, warum dies oder jenes geschehen sei. Für all diese Aussagen und Zuschreibungen fehlen nicht nur jegliche historischen Belege. Sondern sie sind auch höchst unwahrscheinlich – zumindest für jeden, der mit der Welt des 16. Jahrhunderts nur ein bisschen vertraut ist. Das innere Drama von Zweigs Magellan spielt mithin nicht im 16., sondern im 20. Jahrhundert. Es ist eine Erfindung des Autors. Man könnte auch sagen: Es ist das innere Drama des Stefan Zweig.

Dieser Befund wäre nicht langer Rede wert, wenn Zweigs Geschichtsklitterung nicht bis heute eine derartige Wirkung ausüben würde. Zweigs Magellan ist Wind auf die Mühlen all derer, die noch immer glauben, dass die Geschichte (jedenfalls bis zum Amtsantritt von Angela Merkel) von großen Männern gemacht wurde. Von großen weißen Männern, versteht sich.

Anachronistisch ist dieses Geschichtsbild deshalb, weil Magellan für einen Großteil der Taten, die Zweig ihm zuschreibt, keineswegs verantwortlich war – für andere, von denen Zweig ihn freispricht, hingegen sehr wohl. Magellan hatte, soweit wir wissen können, niemals die Absicht, die Erde zu umrunden oder gar zu „beweisen“, dass die Erde rund ist. Nicht einmal die Idee, im Süden Amerikas eine Durchfahrt nach Asien zu suchen, stammte von ihm selbst. Dieses Ziel verfolgten seine Auftrag- und Geldgeber in Kastilien, der königliche Rat und Bischof Juan Rodríguez de Fonseca und der Kaufmann Cristóbal de Haro, schon mehr als ein Jahrzehnt,  bevor sie Magellan an Bord holten. Fonseca und Haro waren die Drahtzieher des Molukken-Unternehmens. Magellans Rolle lässt sich am ehesten als die eines „Geschäftsführers im Außendienst“ beschreiben.

Zweigs Romanfigur Magellan ist, auch dies ein Anachronismus, ein typischer sozialer Aufsteiger, wie ihn die bürgerliche Gesellschaft des 19. Jahrhunderts so verehrte: ein „unbekannter Soldat“, der aufgrund seiner außerordentlichen Talente eine atemberaubende Karriere macht. In Wirklichkeit gehörte Magellan qua Geburt einer hauchdünnen Schicht privilegierter Adliger an, und gewiss hat er niemals, wie Zweig sich zusammenfantasiert, eigenhändig ein Segel gerefft oder gar an einer Lenzpumpe geschwitzt. Dafür hatte man zu Magellans Zeit Schiffsjungen beziehungsweise Sklaven.

Die Flotte, die sich Magellan bei Stefan Zweig ganz allein aus eigener Kraft und nach eigener Idee erschuf, wurde in Wirklichkeit nach genauen Vorgaben Fonsecas von Beamten und Agenten der kastilischen Kolonialbürokratie auf Kiel gelegt, die in diesem Metier auf zwanzig Jahre Erfahrung zurückgreifen konnten. Auch die Tauschwaren, die die Flotte für den Handel mitführte, hat keineswegs Magellan aufgrund seiner vermeintlich langjährigen Erfahrung mit außereuropäischen „Naturkindern“ zusammengestellt, sondern wiederum Fonseca persönlich. Dafür war es Magellan, der in Patagonien aus eigener Initiative zwei großgewachsene Einheimische kidnappen ließ und zu diesem Zweck, wie Antonio Pigafetta in seinem Reisebericht bezeugt, eine schäbige List anwandte. Zweig fabuliert an dieser Stelle von einem angeblichen „Auftrag“ der spanischen Regierung, der nirgendwo dokumentiert ist, und schiebt die List den Matrosen in die Schuhe, die lediglich Magellans Befehle ausführten.

„Patagonier an der Schwelle ihrer Behausung“.
Bild: Arturo W. Boote. Photographe, Public domain, via Wikimedia Commons

Völlig anachronistisch ist schließlich auch Zweigs Darstellung der verschiedenen nicht-europäischen Gesellschaften, mit denen Magellan und seine Mannen im Lauf ihrer langen Fahrt zusammentrafen: die Tupi im heutigen Brasilien, die Vorfahren der Tehuelche im heutigen Patagonien, die Chamorros auf Guam, die Visayer auf den heutigen Philippinen und die Molukker. Für Zweig waren sie alle „Naturkinder“ und vor allem allesamt „braun“. Alle sind sie in seinem Roman ohne Unterschied kindliche, naive und zumeist gutmütige „Narren“, die zu den „weißen Göttern“ aus Europa ehrfurchts- und vertrauensvoll aufblicken.

Dass Europäer dieses Vertrauen  allzu oft missbrauchten, beklagt der Humanist Zweig mit aufrichtigem Herzen. Seinen Helden Magellan will er von solcher Kritik freilich ausgenommen wissen (s.o.). Als Magellan auf den Visayas einige Dörfer mit Krieg überzog, um seinen Herrschaftsanspruch mit Gewalt zu untermauern, handelte er nach Zweig bloß aus einem „Gefühl der Pflicht“ heraus und weil er gegen einen „störrischen“ Häuptling „keine andere Wahl als das Argument der Waffe“ hatte. Bekanntlich verfügte sein Gegner, der Datu Lapulapu, über die stärkeren Argumente, und so fiel Magellan am 27. April 1521 im Kampf auf Mactan. Dass sein Held „durch ein lächerliches Menscheninsekt“, durch „einen braunen Lümmel, der keine ungeflickte Matte in seiner dreckigen Hütte“ hatte, „gefällt“ wurde, konnte Stefan Zweig offenbar nur schwer verwinden. An dieser Schlüsselstelle des Romans weicht die Attitüde wohlwollender Herablassung, die der Autor den „braunen Naturkindern“ gegenüber sonst an den Tag legt, unverhohlener Aggressivität.

Lapulapu erschlägt Magellan. Gemälde im Lapulapu Shrine, Mactan
Bild: Nmcast at English Wikipedia, lizensiert unter CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Die Menschen außereuropäischer Kulturen, mit denen Magellan auf seiner Fahrt zusammentraf, stellt Zweig durchwegs so dar, als stünden sie auf einer niedrigeren kulturellen und geistigen Entwicklungsstufe – so weit unten, dass ihre Kultur und Lebensformen gar nicht interessieren. Stattdessen werden sie unterschiedslos mit dem Klischee des unbedarft-gutmütigen Wilden belegt oder, wie „die Feuerländer“ im Vorbeifahren als „kulturell völlig niedere Rasse“ abgetan. Indem er den vermeintlichen Entwicklungsstufen menschlicher Gesellschaften eindeutige Hautfarben zuwies („braune Naturkinder“ – „weiße Götter“), benutzte Zweig einen rassistischen Code, der dem 16. Jahrhundert so fremd war, wie wir ihn heute unerträglich finden.

Das alles heißt natürlich keinesfalls, dass man Zweigs Magellan nicht mehr lesen oder das Buch gar auf irgendeinen Index setzen sollte. Aber wer es liest, sollte sich bewusst machen, dass er oder sie darin wenig über einen Seefahrer des frühen 16. Jahrhunderts erfährt, dafür umso mehr über die Fantasien eines österreichischen Großbürgers der 1930er Jahre, den die Selbstzerfleischung seiner eigenen Kultur ins Exil und in die Verzweiflung trieb.

Siehe auch:

Die fehlenden Strophen des Weltgedichts, erschienen am 24.10.2019 in Die Furche.

Diskussion im Literaturmuseum der ÖNB mit Arnhild Inguglia-Höfle, Arturo Larcati und Bernhard Fetz am 10. Juni 2021 anlässlich der Präsentation des Begleitbuchs zur Sonderausstellung „Stefan Zweig. Weltautor“.

Was 11.000 Kölner Jungfrauen mit einem Kap in Argentinien zu tun haben

Veröffentlicht am 20. Oktober 2020

Auch so ein Buch, das nur noch selten aufgeschlagen wird, ist der Heiligenkalender. Dabei findet man darin viele denkwürdige Geschichten. Zum 21. Oktober etwa die Legende von der Königstochter Ursula und ihren 11.000 Gefährtinnen, allesamt Jungfrauen, die auf der Heimreise von einem Papstbesuch per Schiff den Rhein hinabfuhren. Das soll um das Jahr 451 herum geschehen sein, zu der Zeit, als die Hunnen Europa in Angst und Schrecken versetzten. Bei Köln trieben Ursula und ihre Begleiterinnen den Hunnen geradewegs in die Arme. Die heidnischen Krieger machten die frommen Jungfrauen zu Märtyrerinnen, und weil Ursula dem Hunnenkönig einen Korb gab, tötete dieser sie eigenhändig.

Das Martyrium der Heiligen Ursula. Darstellung des 15. Jahrhunderts.
Bild: Joachim Schäfer, Ökumenisches Heiligenlexikon

Über den mutmaßlichen Gräbern der Märtyrerinnen entstand im Mittelalter eine Kirche, St. Ursula zu Köln, und ihr Kult verbreitete sich über ganz Europa. Auch die christlichen Seefahrer, die am Ende des Mittelalters von Spanien und Portugal zu neuen Ufern aufbrachen, verehrten die Heiligen Jungfrauen, vielleicht weil auch diese, als sie das Martyrium ereilte, per Schiff unterwegs gewesen waren. So benannte Columbus nach ihnen eine Inselgruppe in der Karibik, die er auf seiner zweiten Fahrt 1493 besuchte: die heutigen Jungferninseln. Und als Ferdinand Magellan auf seiner Suche nach einem Seeweg in den Pazifik am 21. Oktober 1520 an der Küste Amerikas bei 52° 20′ südlicher Breite eine Landspitze sichtete, eine sandige Klippe am Rand der südamerikanischen Steppe, nannte er sie „Kap der Elftausend Jungfrauen“. Heute liegt das Kap in der argentinischen Provinz Santa Cruz, unweit der Grenze zu Chile, und heißt etwas knapper „Cabo Vírgenes“, also Jungfernkap.

Leuchtturm auf dem Cabo Vírgenes, Argentinien.
Bild: Julio Viard – Colección privada, CC BY-SA 4.0

Als der fromme Katholik Magellan jenes Kap nach den legendären Elftausend Jungfrauen taufte, stiftete er, ohne es zu ahnen, einen neuen Gedenktag. Wenige Kilometer weiter südlich öffnet sich nämlich eine Bucht, und diese Bucht entpuppte sich als Einfahrt in die Meerenge, die zu suchen Magellan ein Jahr zuvor von Spanien ausgezogen war: die Wasserstraße, von der er hoffte, dass sie den Atlantischen mit dem Pazifischen Ozean verband und so einen westlichen Seeweg von Europa nach Asien eröffnete. Zwar benötigten Magellan und seine Gefährten mehr als fünf Wochen, um den westlichen Ausgang der gut 600 Kilometer langen Meerenge zu finden, denn wie man auf modernen Karten sieht, gleicht sie mehr einem Labyrinth aus Kanälen und Inseln als einer Straße. Aber der Tag, an dem die Seefahrer das Jungfernkap sichteten, ist in die Geschichte eingegangen als jener Tag, an dem die Meerenge, die heutige Magellanstraße, entdeckt wurde. Er liegt in diesem Jahr genau 500 Jahre zurück.

Der Weltreisende Antonio Pigafetta, der diesen historischen Moment miterlebt hat, schildert ihn in seinem Reisebericht wie folgt:

Kurz darauf, bei 52 Grad zum südlichen Pol, fanden wir durch ein riesengroßes Wunder am Tag der Elftausend Jungfrauen eine Meerenge, deren Landspitze wir Kap der Elftausend Jungfrauen nannten. Diese Meerenge ist hundertzehn Leugen lang, was 440 Meilen entspricht, und mehr oder weniger eine halbe Leuge breit. Sie führt in ein anderes Meer, Mar Pacifico genannt, und ist von sehr hohen, mit Schnee bedeckten Bergen umgeben. Wir konnten nirgends ihren Grund ausloten.

Wenn der Generalkapitän nicht gewesen wäre, hätten wir diese Meerenge nicht gefunden, denn wir alle meinten, dass sie ringsum geschlossen wäre. […] Der Kapitän schickte zwei Schiffe aus, Sancto Antonio und la Conceptione (so wurden sie genannt), um zu sehen, was sich am Ende der Bucht befand. Wir blieben mit den anderen beiden Schiffen – das Flaggschiff hieß Trinidade, das andere la Victoria – innerhalb der Bucht, um auf sie zu warten. In der Nacht überfiel uns ein starkes Unwetter, das bis zum anderen Mittag dauerte und uns zwang, den Anker zu lichten, sodass wir kreuz und quer durch die Bucht trieben.

Zeichnung der „Magellanstraße“ in Pigafettas Reisebericht. Süden ist oben.
Bild: Biblioteca Nacional de Chile

Die beiden ausgesandten Schiffe hatten starken Gegenwind. Sie wollten zu uns zurückkehren, waren jedoch nicht imstande, eine Landspitze fast am Ende der Bucht zu umrunden, und sahen sich schon genötigt, auf Grund zu laufen. Doch als sie sich dem Ende der Bucht näherten und bereits verloren wähnten, erblickten sie eine kleine Mündung, die keine Mündung zu sein schien, sondern eine Ecke. Wie Männer, die alle Hoffnung fahren gelassen haben, jagten sie hinein, sodass sie aus schierer Not heraus die Meerenge entdeckten.

Und als sie sahen, dass es keine Ecke war, sondern eine Meerenge im Land, fuhren sie voran und fanden eine Bucht. Danach fuhren sie noch weiter und fanden eine weitere Meerenge und eine weitere Brucht, beide größer als die vorherigen. Zutiefst beglückt wollten sie sogleich umkehren, um es dem Generalkapitän zu berichten.
Wir dachten derweil, sie seien zugrunde gegangen, zum einen wegen des heftigen Unwetters, zum anderen weil zwei Tage vergangen und sie nicht aufgetaucht waren. Auch wegen gewisser Rauchwolken, die zwei Abgesandte von ihnen an Land auftsteigen ließen, um uns zu benachrichtigen. Und wie wir so angespannt waren, sahen wir zwei Schiffe mit vollen Segeln und wehenden Fahnen auf uns zukommen. Als sie ganz nahe waren, feuerten sie plötzlich mehrere Bombarden ab, was wir mit Salutschüssen und Freudengeheul beantworteten. Daraufhin dankten wir Gott und der Jungfrau Maria und fuhren alle gemeinsam los, um weiterzusuchen.

Soweit der  Augenzeuge Antonio Pigafetta. Der zitierte Text ist meiner Neuübersetzung seines Reiseberichts entnommen, die kürzlich in der wbg Edition erschienen ist:

Bild: wbg

Erstmals vollständig übersetzt und kommentiert von Christian Jostmann. 2020. 272 S. mit 31 farb. Abb. und 1 Kt., 14,5 x 21,5 cm, geb. mit SU. u. Lesebändchen, wbg Edition, Darmstadt. 28 Euro (22,40 für Mitglieder der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft)

 

Magellan in der Zehntscheuer Entringen

Aktualisiert am  28. Januar 2020

Autorenlesung

Am Donnerstag, den 23. Januar 2020, habe ich um 19:30 Uhr in der Nähe von Tübingen aus meinem aktuellen Buch Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde gelesen.

Veranstaltungsort war die mehr als 500 Jahre alte Entringer Zehnscheuer in der Gemeinde Ammerbuch, die von einem Kulturverein saniert wurde:

Bild: Förderverein Zehntscheuer Ammerbuch-Entringen

Hier ein Bericht über die Lesung im Schwäbischen Tagblatt vom 25. Januar 2020.

„… dass wir die gesamte Rundung der Welt entdeckt haben.“

Aktualisiert am 12. Dezember 2019

 

Bild: Verlag C.H. Beck

Spannend wie ein Seefahrer-Roman“ (Welt am Sonntag)

„Jostmann verflicht gekonnt die historischen Quellen zu einer spannenden Erzählung, ohne Überlieferungslücken mit Spekulationen zu füllen und somit den Sachbuchcharakter aufzuweichen.“ (Sebastian Hollstein in Spektrum der Wissenschaft)

„Ein Sachbuch wie man es sich wünscht, eines das fachlich kaum Fragen und stilistisch keine Wünsche offenlässt, das seine Geschichte in allen Details und in aller Ruhe auserzählt und so … eine tiefe Immersion schafft, die einen immer weiter ins Abenteuer hineinzieht. Für so ein Leseerlebnis lasse ich jeden Roman liegen.“ (dampierblog.de)

„In der neuesten Darstellung von Magellans Abenteuer bietet der Historiker Christian Jostmann eine nüchterne, indes nicht minder spannende, fachkundige und lesenwerte Narration.“ (Oliver vom Hove in Die Presse)

Eine neue, gelungene Biografie …, die den Lebensweg des Portugiesen in spanischen Diensten spannend nacherzählt, gut recherchiert ist und sprachlich außerordentlich beeindruckt.“ (Alexander Querengässer in Zeitschrift für Geschichtswissenschaft)

Der Mensch Magellan starb und sein Mythos begann. Jostmann nimmt den Mythos und zeigt uns den Menschen.“ (Ingo Löppenberg in Das Historisch-Politische Buch)

Auf Platz 5 der 10 besten Sachbücher für den Monat August – eine Empfehlungsliste der Literarischen Welt, Neuen Zürcher Zeitung, von WDR 5 und Radio Österreich 1.

Jetzt auch in 3., durchgesehener Auflage!

Wer mehr als nur die übliche Heldensaga vom „größten Seefahrer aller Zeiten“ (Stefan Zweig)  lesen will, findet in meinem Buch „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“ alles, was ihn interessiert:

Wie kam es dazu, dass der portugiesische Ritter Fernão de Magalhães einen Vertrag mit dem kastilischen König schloss, um für ihn die Molukken zu „entdecken“, die legendenumwobenen Gewürzinseln?

Wie sahen die Schiffe aus, mit denen Magellan und seine Mannschaft am 20. September 1519 in See stachen, und wie wurden sie ausgerüstet? Wie war das Leben an Bord? Wie fanden die Steuermänner ihren Kurs?

Was erlebten die Seefahrer auf ihrer jahrelangen Reise, die einige von ihnen um den ganzen Globus führen sollte? Wie viele kehrten am Ende nach Europa zurück? Warf das Unternehmen tatsächlich einen Gewinn ab, wie immer behauptet? Und was bedeutete es für die Zeitgenossen, dass erstmals ein Schiff die Erde umfahren hatte?

Gratis zum Download (pdf):

Bibliographie

Personenverzeichnis

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