Der (un)romantische Magellan

Veröffentlicht am 28.01.2019

Am 14. Februar erscheint mein neues Buch „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“. Dass es am Valentinstag auf den Markt kommt, ist meines Wissens reiner Zufall. Denn um Romantik geht es in dem Buch eher nicht – jedenfalls nicht im landläufigen Sinn. Wenn man unter Romantik allerdings eine kulturhistorische Epoche versteht, dann schon. Ist doch der „Held“ des Buches, Ferdinand Magellan, eine literarische Erfindung der Zeit um 1800.

Bild: aus „Primo viaggio intorno al globo terracqueo“, ed. Carlo Amoretti 1800

Damals entdeckte Carlo Amoretti in der Mailänder Biblioteca Ambrosiana den Bericht Antonio Pigafettas über die „Erste Reise um den Erdglobus“ wieder und rief mit seiner Publikation ein großes Echo hervor. Pigafetta war 1519 von Sevilla aus auf einer kleinen Flotte in See gestochen, die einen westlichen Seeweg zu den Molukken finden sollte, den sagenumwobenen Gewürzinseln Südostasiens. Fast auf den Tag genau drei Jahre später kehrte eines der Schiffe zurück und überbrachte, neben einer Ladung Gewürznelken, dem kastilischen König die Sensationsnachricht, „dass wir die gesamte Rundung der Welt entdeckt und umrundet haben, indem wir nach Westen weggefahren und von Osten zurückgekehrt sind“.

Die Forscher und Entdecker des 19. Jahrhunderts – Männer wie Alexander von Humboldt – erblickten in den Seefahrern der Frühen Neuzeit heroische Vorläufer ihrer eigenen Bestrebungen. Sie erklärten und verklärten die Weltumsegler zu Pionieren der Welterkundung, allen voran Ferdinand Magellan, unter dessen Kommando die Flotte 1519 in See gestochen war. Magellan hatte die Reise zwar nicht überlebt. Aber der schriftstellerisch begabte Pigafetta war, was seinen toten Kommandanten anging, des Lobes voll: Magellan habe sich „auf das Kartenlesen und die Navigation genauer [verstanden] als sonst irgendein Mann auf der Welt“, und kein anderer habe „so viel Genie und Eifer“ besessen, „um einmal die Welt umrunden zu können, wie er es fast getan hatte“.

Im 19. Jahrhundert – einer Zeit, da Genies in Europa Hochkonjunktur hatten – rannte Pigafetta mit solchen Worten offene Türen ein. Magellans literarisches Schicksal war besiegelt. Er galt fortan als genialer Seefahrer und Entdecker. Seither tragen auch die beiden Nachbargalaxien der Milchstraße seinen Namen: Magellansche Wolken.

Bild: Verlag C.H. Beck

Um diesen Magellan – die literarische Figur des 19. Jahrhunderts – geht es in meinem neuen Buch nur am Rande. Es handelt vor allem von der historischen Gestalt, die dieser Figur zugrunde liegt: dem portugiesischen Ritter Fernão de Magalhães. Und es erzählt von der Zeit, in der er lebte: dem Zeitalter der Entdeckungen, als sich das Netz menschlicher Kommunikation und des Kommerzes vollends über den Globus legte.

Was trieb Leute wie Magalhães um? Welche Ziele verfolgten ihre Auftraggeber, Geschäftspartner und Reisegefährten? Wie sahen die Schiffe aus, auf denen sie segelten? Was aßen sie unterwegs? Was wussten sie über die Erde und die Gestalt ihrer Oberfläche? In was für einer Gesellschaft lebten sie? Und wie gingen sie mit Menschen aus anderen Kulturen um, denen sie unterwegs begegneten? Diese und andere Fragen versuche ich in meinem Buch „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“ zu beantworten.

Dabei beziehe ich mich als Historiker auf die Dokumente, Berichte und sonstigen Überbleibsel, die aus der Vergangenheit erhalten sind. Aus ihnen rekonstruiere ich die Geschichte des Fernão de Magalhães und seiner Zeit. Für alle Interessierten gibt es ab jetzt und hier gratis zum Download eine (englischsprachige) Einführung in die Quellen und die historische Literatur, die ich für das Buch herangezogen habe:

Magellan_Bibliography

Mit Magellan um die Welt

Veröffentlicht am 07.01.2019

Als im Herbst 2015 so viele Menschen nach Europa kamen, um hier Schutz und ein besseres Leben zu suchen, hatte das auch Auswirkungen auf mein Leben. Ich habe mich in einem Flüchtlingshilfeprojekt in unserer Gemeinde engagiert und ich begann, einen Blog zu schreiben. Die Ankunft der Fremden hatte mich daran erinnert, dass auch ich ein Fremder war in diesem Land. Also habe ich eine Zeit lang über mein Leben als „Zugeroaster“ im österreichischen Weinviertel berichtet, wo ich seit 2005 ansässig bin [http://fremd-in-der-heimat.blogspot.com].

In den ersten zehn Jahren meines Aufenthaltes hatte ich die Österreicherinnen und Österreicher als durchweg freundliche, vielfach herzliche und oft gescheite Menschen schätzen gelernt, die augenscheinlich ein Talent dafür hatten, es sich selbst und anderen gut gehen zu lassen. Doch im Jahr 2016 änderte sich schlagartig die Stimmung im Land, und viele meiner Mitbürger (und manche meiner Mitbürgerinnen) zeigten ein ganz anderes Gesicht. Im Gespräch mit ihnen erlebte ich nun immer öfter eine Hartherzigkeit, die mich erschreckte. Inzwischen weiß ich, dass diese Hartherzigkeit keine österreichische Eigenart ist, sondern überall regiert (oder zu regieren trachtet), wo wir Wohlhabenden uns vor den Hungerleidern fürchten.

Die damalige Innenministerin der Republik, jetzige Landeshauptfrau von Niederösterreich, versprach den Österreichern, Europa zu einer „Festung“ zu machen. Dieses Versprechen warf in mir manche Fragen auf: War es überhaupt in der Praxis einlösbar? Wenn ja, mit welchen Mitteln? Und wie würde es sein, in einer Festung zu leben?

Als Historiker fragte ich mich zudem, was die Befestigung des Kontinents für seine Geschichte bedeutete. Handelt diese doch seit einem halben Jahrtausend von der Entdeckung, Eroberung und Unterwerfung der Welt durch Europäer, also dem Gegenteil von Abschottung. Die globale Expansion ging einst von Europa aus und sie geht als wirtschaftliche Expansion immer weiter, auch wenn die europäischen Staaten die Herrschaft über ihre Kolonien verloren haben und sie längst nicht mehr die einzigen „global players“ sind.

Weil ich mehr wissen wollte über diese Geschichte, habe ich mich im Sommer 2016 im altmodischen Vehikel des Historikers auf die Reise gemacht und bin den Spuren eines ihrer Protagonisten gefolgt: jenen des berühmten Seefahrers Ferdinand Magellan, eigentlich Fernão de Magalhães.

Bild: Biblioteca Nacional de España

Der Portugiese befehligte 1519 eine spanische Flotte, die eine westliche Route zu den Molukken finden sollte, den Gewürzinseln in Südostasien. Er entdeckte einen Seeweg vom Atlantik in den Pazifik, die heute nach ihm benannte Magellan-Straße, und kam bis zu den Visayas auf den heutigen Philippinen, wo er am 27. April 1521 im Kampf mit Einheimischen starb. Seine Gefährten setzten die Reise fort. Eine Handvoll von ihnen erreichte im September 1522, nach knapp drei Jahren, wieder den Heimathafen Sevilla – von Osten aus. Damit hatten sie als erste Menschen, von denen wir wissen, den gesamten Globus umrundet.

Mehr als zwei Jahre lang bin ich Magellans Spuren durch die Literatur und die Archive nachgegangen. Ich bin in die Lebenswelten frühneuzeitlicher Kaufleute, Ritter und Seefahrer eingetaucht, habe in alten Chroniken geschmökert, notarielle Urkunden transkribiert, Heuerlisten und Rechnungsbücher durchgekämmt. Schließlich bin ich virtuell in See gestochen und im Kielwasser von Magellans Schiffen einmal um die ganze Welt gereist.

Unterwegs habe ich einige fremde Kulturen kennengelernt, angefangen mit den Portugiesen und Spaniern des 16. Jahrhunderts, über die Tupi Brasiliens, die Vorfahren der Tehuelche in Patagonien und die Chamorros auf Guam, bis hin zu den Visayas und Molukken. Kurzum, ich habe im Kopf eine abenteuerliche Zeit- und Weltreise unternommen, von der ich nun in meinem neuen Buch berichte.

Es heißt „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“ und erscheint am 14. Februar 2019 im Verlag C.H. Beck.

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