Veröffentlicht am 25. Juli 2021
In Spanien nennen sie es „Operación Paso del Estrecho“: Operation Querung der Meerenge. Alljährlich zu Sommerbeginn machen sich von Frankreich, Belgien und anderen westeuropäischen Ländern mehr als 3.000.000 Menschen auf die Reise, um die Ferien bei ihren Familien in Nordafrika zu verbringen. In nur wenigen Tagen ist der Transport von rund 750.000 Fahrzeugen über die Meerenge von Gibraltar zu bewältigen.
Koordiniert wird die „Operación Paso del Estrecho“ seit 1986 vom spanischen Zivilschutz. Nachdem sie 2020 wegen der Covid-Pandemie ausgefallen war, wurde sie in diesem Jahr nach einem diplomatischen Zerwürfnis zwischen Marokko und Spanien abermals abgesagt. Viele Heimaturlauber in den Maghreb sind darum auf Häfen in Portugal, Frankreich oder Italien ausgewichen. Und so wurden auch wir unverhofft Teil dieser Karawane nach Süden, als wir Anfang Juli in Genua an Bord der Majestic gingen, einer Fähre der italienischen Schiffahrtsgesellschaft „Grandi Navi Veloci“.
Die 1993 in Dienst gestellte Majestic soll die Geschwindigkeit einer Fähre mit dem Komfort eines Kreuzfahrtschiffs vereinen. Sie ist 188 Meter lang, fährt im Schnitt 21 Knoten und kann 760 Autos plus 1650 Passagiere laden. Von denen hatten offenbar nur die wenigsten wie wir die Passage Genua-Barcelona gebucht. Arabisch-italienisches Stimmengewirr im Terminal (wo drei angegraute Motorradrocker aus St. Johann im Pongau, die ihre Papiere nicht in Ordnung hatten, dafür sorgten, dass schon beim Check-In die Wogen hochgingen); auf dem Kai lange Schlangen von Autos und Kleintransportern, viele mit dicken, in Plastikplanen eingepackten Bündeln auf den Dächern – all das sagte uns, dass die meisten unserer Mitreisenden wohl nach Tanger weiterfahren würden.
Stundenlang lag die Majestic mit wummernden Dieselmotoren an den Leinen, während Arbeiter in gelben Warnwesten ein Auto nach dem anderen in ihren Bauch winkten. Unterdessen füllten sich die Decks allmählich mit Männern in Tunika, Frauen mit Kopftuch, herumtollenden Kindern. Lautsprecher-Durchsagen auf Italienisch, Englisch, Spanisch, Französisch und Arabisch. In den Gängen wurden Decken und Schlafsäcke ausgerollt, in windgeschützten Ecken der Außengalerien Shisha-Pfeifen angezündet.
Und als das Schiff endlich abgelegt und Kurs auf Barcelona genommen hatte und sich über der provenzalischen Küste die Sonne senkte, Küste und Meer und Schiff in goldenen Glanz tauchend, spielte im großen Salon der Majestic eine Zwei-Mann-Kapelle auf und beschallte die Decks mit lauter marokkanischer Popmusik. Da wurde uns wieder einmal bewusst, dass das Mittelmeer seit alters Europa mit Afrika verbindet.