Veröffentlicht am 07.01.2019
Als im Herbst 2015 so viele Menschen nach Europa kamen, um hier Schutz und ein besseres Leben zu suchen, hatte das auch Auswirkungen auf mein Leben. Ich habe mich in einem Flüchtlingshilfeprojekt in unserer Gemeinde engagiert und ich begann, einen Blog zu schreiben. Die Ankunft der Fremden hatte mich daran erinnert, dass auch ich ein Fremder war in diesem Land. Also habe ich eine Zeit lang über mein Leben als „Zugeroaster“ im österreichischen Weinviertel berichtet, wo ich seit 2005 ansässig bin [http://fremd-in-der-heimat.blogspot.com].
In den ersten zehn Jahren meines Aufenthaltes hatte ich die Österreicherinnen und Österreicher als durchweg freundliche, vielfach herzliche und oft gescheite Menschen schätzen gelernt, die augenscheinlich ein Talent dafür hatten, es sich selbst und anderen gut gehen zu lassen. Doch im Jahr 2016 änderte sich schlagartig die Stimmung im Land, und viele meiner Mitbürger (und manche meiner Mitbürgerinnen) zeigten ein ganz anderes Gesicht. Im Gespräch mit ihnen erlebte ich nun immer öfter eine Hartherzigkeit, die mich erschreckte. Inzwischen weiß ich, dass diese Hartherzigkeit keine österreichische Eigenart ist, sondern überall regiert (oder zu regieren trachtet), wo wir Wohlhabenden uns vor den Hungerleidern fürchten.
Die damalige Innenministerin der Republik, jetzige Landeshauptfrau von Niederösterreich, versprach den Österreichern, Europa zu einer „Festung“ zu machen. Dieses Versprechen warf in mir manche Fragen auf: War es überhaupt in der Praxis einlösbar? Wenn ja, mit welchen Mitteln? Und wie würde es sein, in einer Festung zu leben?
Als Historiker fragte ich mich zudem, was die Befestigung des Kontinents für seine Geschichte bedeutete. Handelt diese doch seit einem halben Jahrtausend von der Entdeckung, Eroberung und Unterwerfung der Welt durch Europäer, also dem Gegenteil von Abschottung. Die globale Expansion ging einst von Europa aus und sie geht als wirtschaftliche Expansion immer weiter, auch wenn die europäischen Staaten die Herrschaft über ihre Kolonien verloren haben und sie längst nicht mehr die einzigen „global players“ sind.
Weil ich mehr wissen wollte über diese Geschichte, habe ich mich im Sommer 2016 im altmodischen Vehikel des Historikers auf die Reise gemacht und bin den Spuren eines ihrer Protagonisten gefolgt: jenen des berühmten Seefahrers Ferdinand Magellan, eigentlich Fernão de Magalhães.
Der Portugiese befehligte 1519 eine spanische Flotte, die eine westliche Route zu den Molukken finden sollte, den Gewürzinseln in Südostasien. Er entdeckte einen Seeweg vom Atlantik in den Pazifik, die heute nach ihm benannte Magellan-Straße, und kam bis zu den Visayas auf den heutigen Philippinen, wo er am 27. April 1521 im Kampf mit Einheimischen starb. Seine Gefährten setzten die Reise fort. Eine Handvoll von ihnen erreichte im September 1522, nach knapp drei Jahren, wieder den Heimathafen Sevilla – von Osten aus. Damit hatten sie als erste Menschen, von denen wir wissen, den gesamten Globus umrundet.
Mehr als zwei Jahre lang bin ich Magellans Spuren durch die Literatur und die Archive nachgegangen. Ich bin in die Lebenswelten frühneuzeitlicher Kaufleute, Ritter und Seefahrer eingetaucht, habe in alten Chroniken geschmökert, notarielle Urkunden transkribiert, Heuerlisten und Rechnungsbücher durchgekämmt. Schließlich bin ich virtuell in See gestochen und im Kielwasser von Magellans Schiffen einmal um die ganze Welt gereist.
Unterwegs habe ich einige fremde Kulturen kennengelernt, angefangen mit den Portugiesen und Spaniern des 16. Jahrhunderts, über die Tupi Brasiliens, die Vorfahren der Tehuelche in Patagonien und die Chamorros auf Guam, bis hin zu den Visayas und Molukken. Kurzum, ich habe im Kopf eine abenteuerliche Zeit- und Weltreise unternommen, von der ich nun in meinem neuen Buch berichte.
Es heißt „Magellan oder Die erste Umsegelung der Erde“ und erscheint am 14. Februar 2019 im Verlag C.H. Beck.