Dass Holz sich gut als Brennstoff eignet, hat
Sich unter Eigenheimbesitzern bald
Herumgesprochen; wacker in den Wald
Ziehn sie mit ihren Pick-Ups aus der Stadt.
Mit Spaltaxt, Kettenöl und Sägeblatt
Bewaffnet, kennt ihr Wüten keinen Halt.
Weil ihre Badezimmer niemals kalt
Sein sollen, machen sie die Wälder platt.
Akazien, Buchen, Fichten, Eschen, Eichen:
Im Zweitakt-Dunst gehn splitternd sie zu Boden.
Sie müssen vor der Kettensäge weichen
Und bleiben leblos liegen auf den Soden.
Klingt Sägelärm vom Forste, ist’s ein Zeichen,
Dass Ofen-Eigner uns’re Wälder roden.
Mit Investoren Businesspläne schmieden
Und sexy Kollektionen für die Massen
Entwerfen täte wohl so manchem passen,
Doch ist’s den meisten von uns nicht beschieden.
Wir haben oftmals sogar ganz vermieden
Und sträflich ignorant es unterlassen,
Mit Modethemen ernst uns zu befassen,
Und hatten trotzdem lange unsern Frieden,
Bis ich vor kurzem in der Zeitung las
Von einer Frau, die Leuten Kleider macht
Und dass ihr das anscheinend großen Spaß
Bereitet und zudem Fortuna lacht.
Und ich sitz müßig hier herum, im Maß-
Anzug, am Achterdeck von meiner Yacht!
Das folgende Sonett soll keinesfalls das Werk eines namhaften deutschen Choreographen beschmutzen:
Was geht in einem Menschen vor, der Scheiße
Von einem Hund in eine Tüte schmiert
Und damit einer Frau Gesicht traktiert,
Nur weil sie seine Tanzrevue verreiße?
Auch wenn des Mannes Weste eine weiße
Bisher gewesen ist und Ruhm ihn ziert,
So hat er seinen Ruf doch ruiniert
Durch solch infames Hundekot-Geschmeiße.
Der Nimbus ist ihm wohl zu Kopf gestiegen,
Der ihn umgibt als Künstler und Genie.
„Was ich erreicht, es will mir nicht genügen“,
Befand er und ersann die Strategie:
„Ich werde meine Kritiker besiegen
Mit einer Kacki-Choreographie.“
Normalerweise geht es in Sonetten
Um Liebesdinge, Herzschmerz und dergleichen.
Wen kann man denn mit sowas noch erreichen?
Als ob die Leut' nicht and're Sorgen hätten!
Sie wollen etwas and'res lesen, wetten?
Drum soll man solche soften Themen streichen,
Und alle Psycho-Dichter solln sich schleichen,
Sonst ist der Ruf der Dichtkunst nicht zu retten.
Wer dichtet, sollte sich an Straßen kleben
Und dort für ein paar Stündchen kleben bleiben.
Da würd man wirklich einmal was erleben.
Da ließen sich Sonette drüber schreiben.
Ich fühl den Zorn der Menge schon erbeben,
Wenn Dichter derart krassen Unfug treiben.
In unserer Reihe „Das humoristische Gelegenheitsgedicht“ präsentieren wir heute ein Stück, das der Gattung „Morgendliche Beinahe-Ergüsse“ zuzuordnen ist:
Ich lieg im Bett und muss aufs Klo.
Nun ist es aber leider so:
Das Klo ist weit.
Der Gang ist kalt.
So lieg ich schon geraume Zeit,
Riskiere einen Harnverhalt
Oder eine Überschwemmung,
Weil von meinem Bett die Trennung
Mir so schrecklick schwere fällt.
Damit das Wehr noch weiter hält,
Erzähl ich mir ein paar Geschichten
Und übe mich derweil im – Dichten.
Wie köstlich klingt doch das Flirren der Blätter,
Wenn morgens der Wind durch den Garten streicht
Und hoch in den Zweigen der Birke pfeift der Pirol.
Das Fenster steht offen und ich auf der Matte
Lieg selig da im Shavasana.
Meine Arbeit ist nicht
das Wählen von Wörtern und
daraus Ketten machen
an einem roten
Faden
Meine Arbeit ist
das Säubern des Ofens
Ascheflocken die
in der Luft
tanzen
Meine Arbeit ist
das Spalten des Holzes
der hohle Klang wenn
das Scheit
birst
Meine Arbeit am
Ofen: anheizen
Nachlegen stündlich
Tag für
Tag
Der Ofen und ich
Er kennt seinen Herrn
Ich bediene ihn
Er dient
mir
Meiner Arbeit Lohn
Wärme deren
Preis nicht
Krieg
ist
Ein paar Tage vor dem Angriff der russischen Staatsgewalt auf die Ukraine hatte ich ein Gedicht geschrieben, das ich an dieser Stelle veröffentlichen wollte, und zwar ein Sonett. So ein Sonett ist die Fingerübung eines Berufsschreibers, eine Tüftelei mit Worten, über deren Gelingen der Autor sich freut, sodass er sie gern herzeigt, ohne ihr jedoch größere Bedeutung zuzumessen – selbst wenn das Thema nur scheinbar unbedeutend ist. Das Sonett handelt nämlich von meinen Freunden, den Meisen. Aber als der Krieg ausbrach, erschien all das, die Meisen, das Sonett, mein literarischer Bastlerstolz, schlagartig bedeutungslos. Inzwischen denke ich, dass ich damit zumindest den Meisen Unrecht getan habe.
Gewalt macht mir seit jeher Angst, nicht zuletzt dann, wenn in mir drin die Wut hochkocht. Die Gefühle auszuhalten, die dieser Krieg beim vermeintlich abseits stehenden Zuschauer auslöst, Angst, Trauer, Zerknirschung und hilfloser Zorn, kostet Kraft. Dabei sollte ich mich als Historiker nicht wundern. Zivilisation und Verbrechen sind zwei Seiten derselben Medaille. Seit 1989 – dem Jahr, in dem ich volljährig wurde – herrschte auf der Erde immer irgendwo Krieg: von Irak, Jugoslawien und Tschetschenien über Kosovo, Afghanistan, wieder Irak, Jemen und Syrien bis zu den „Drogenkriegen“ in Mexiko und auf den Philippinen, um nur jene zu nennen, die mir ad hoc einfallen. Und doch war der russische Angriff auf die Ukraine ein Schock, ein körperlich empfundener Schock, den ich lange nicht werde verarbeitet haben. Tua res agitur, paries cum proximus ardet, haben wir seinerzeit in der Schule gelernt: Deine Sache steht auf dem Spiel, wenn die Nachbarwand brennt.
Bild: Martin Kunz, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Что делать? Was tun, wenn es brennt? Die Menschen in der Ukraine zeigen es uns gerade: Sie lassen sich nicht zu Opfern machen. Zu den Dingen, die wir tun können – Geflüchteten helfen, Energie sparen, für Demokratie und Menschenrechte eintreten, gemeinsam mit unseren Kindern Gewaltfreiheit üben –, gehört auch, sich weder von der Gewalt noch ihrer Androhung einschüchtern zu lassen. Und für Autoren gehört dazu, weiter zu schreiben und zu publizieren. Das sind wir auch den Meisen schuldig. Darum:
Sei mir gegrüßt, befreund’te Schar der Meisen!
Wie war der Garten eben noch so leer,
doch nun ein wildes Schwirren hin und her,
durchs Fenster trillern eure munt’ren Weisen.
Man kann euch Meisen nicht genügend preisen.
Der winterliche Garten läge sehr
verödet da, erstarrt, kämt ihr nicht mehr,
um ihn der Winterstarre zu entreißen.
Ein gelbes, blaues, weißes, schwarzes Flattern –
zwei kurze Beinchen reichen euch zum Klettern.
Ihr macht nicht Halt vor Zäunen oder Gattern.
Ihr turnt herum auf Ästen bar von Blättern.
Und wenn im Wind die Fahnen klirrend rattern,
dann dank ich euch als meines Tages Rettern.
Ganz früher schrieb ich öfter mal Sonette.
Ich saß herum und dachte lange nach,
ich brachte Verse unter Dach und Fach
und suchte Reime, knackige und fette.
Doch das ist lange her. Es ist, als hätte
ich diese Kunst verlernt, als läg’ sie brach.
Schon gräm ich mich deswegen, doch Gemach!
Für Selbstzerfleischung ist hier nicht die Stätte.
Jawohl, Sonette schreiben, das ist Arbeit
und nichts, was man so nebenbei vollbringt.
Das macht man nicht aus Jux in seiner Freizeit,
so wie man in der Badewanne singt.
D’rum haltet meinen Jubel nicht für Tollheit,
wenn ein Sonett mir wieder mal gelingt.