Erstmals vollständig übersetzt und kommentiert von Christian Jostmann. 2020. 272 S. mit 31 farb. Abb. und 1 Kt., 14,5 x 21,5 cm, geb. mit SU. u. Lesebändchen, wbg Edition, Darmstadt. 32 Euro (25,60 für Mitglieder der Wissenschaftlichen Buchgesellschaft).
Pressestimmen:
„Pigafettas Bericht ist eine Kostbarkeit der Weltreiseliteratur. Seine Schilderungen der exotischen Länder und der Indigenen zeugen von einem neugierigen Blick auf das Fremde.“ (Hans-Christian Riechers in Der Tagesspiegel)
„Jostmanns Ziel war es, Pigafettas Bericht »in authentischer und zugleich lesbarer Form einem größeren Publikum auf Deutsch zugänglich zu machen«. Das ist ihm mit diesem Buch rundum gelungen.“ (Gerhard Schmitz in Spektrum der Wissenschaft)
„Erst der Historiker Christian Jostmann liefert uns knapp 500 Jahre später mit dieser Version eine vollständige deutsche Übersetzung des historischen Abenteuerberichts. Dass er damit einen wichtigen Diskursbeitrag geleistet hat, liegt auf der Hand: Immerhin war es Pigafettas Reisetagebuch, das die Idee der Erde als Scheibe ins Wanken brachte. Und auch, dass im Jahr 1492 Indien entdeckt worden sei, zog er mit seinen Schilderungen beim aufmerksamen Leser in Zweifel. Nicht jedoch, ohne dabei ein eindrucksvolles Bild der Welt zu zeichnen, wie sie außerhalb der Komfortzone ist: wild, bunt, brutal, wunderschön und unbegreiflich weit.“ (Jenny W. Wirschky auf reciproque.de)
„Pigafettas von Christian Jostmann erstmals vollständig ins Deutsche übertragener und fachkundig kommentierter Bericht, regt zu vielen Fragen … an. Sie justieren unseren Blick auf das Eigene und das Fremde neu und fordern unsere Haltung zu Europas kolonialem Erbe heraus.“ (Frank Kaspar in Antonio Pigafetta: „Die erste Reise um die Welt“ – Augenzeuge der Kolonisierung (deutschlandfunkkultur.de)
„Auf der Basis italienischer, französischer und englischer Textausgaben bietet Jostmann eine flüssig zu lesende deutsche Fassung von Pigafettas Bericht, die obskure und schwer zu interpretierende Stellen dennoch beibehält und damit auch etwas von der Fremdartigkeit dieses 500 Jahre alten Textes bewahrt.“ (Mark Häberlein in Damals)
„Jostmanns Übersetzung liest sich flüssig und seine Sachanmerkungen sind hilfreich. Die Farbabbildungen, die in der Mehrzahl Karten von Inseln und Inselgruppen zeigen, die Pigafetta angefertigt hat, sind von hervorragender Qualität. Jostmanns Einleitung ist sehr informativ, was nicht Wunder nimmt, da der österreichische Historiker auch Verfasser einer Monographie über Magalhâes‘ Weltumsegelung ist.“ (Patrick Schmidt in Sehepunkte)
Warum sollte man ein fast fünfhundert Jahre altes Buch, das bereits mehrfach ins Deutsche übertragen wurde, nochmals übersetzen?
Weil das Buch wichtig ist und weil es von ihm bisher keine gute deutsche Übersetzung gab.
Ein solches Buch ist Antonio Pigafettas „Bericht von der ersten Reise rund um den Globus“. Der wohlgeborene Ritter aus Vicenza hatte 1519 bis 1522 an der ersten historisch belegten Umsegelung der Erde teilgenommen. Anders als die meisten seiner Mitfahrer überlebte er die Reise, sodass er nach der Rückkehr einen Reisebericht schreiben konnte. Sein Bericht ist die detaillierteste und lebendigste Erzählung eines Augenzeugen dieser historischen Fahrt. Pigafetta schildert das entbehrungsreiche Leben an Bord, die Gefahren und Abenteuer, die er und seine Mitstreiter durchstanden, und nicht zuletzt erzählt er von seinen zahlreichen Begegnungen mit anderen Menschen.
Pigafetta begegnete vielen Menschen, die zuvor nie oder kaum Kontakt mit Europäern gehabt hatten: den Tupi im heutigen Brasilien, den Tehuelche Patagoniens, den Chamorros auf Guam, den Visayern auf den heutigen Philippinen, den Einwohnern Mindanaos, Borneos, der Molukken und Timors. Die Arten und Weisen, wie all diese Leute lebten, sprachen, sich kleideten und ernährten, wie sie musizierten, Krieg führten, Sex hatten und ihre Götter verehrten, waren für Pigafetta und seine europäischen Zeitgenossen unerhört neu und fremdartig. Pigafetta beobachtete aufmerksam, stellte Fragen, lernte fremde Sprachen und schrieb auf, was ihm bemerkenswert erschien. So wurde er zum Ethnologen avant la lettre, der uns eine Beschreibung der Erde und ihrer Kulturen in den ersten Tagen der Globalisierung überliefert hat. Eine Beschreibung, die uns auch helfen kann, unsere Gegenwart, die mehr denn je von derselben Globalisierung geprägt ist, besser zu verstehen.
Habent sua fata libelli: Auch Pigafettas Buch hatte ein wechselvolles Schicksal. Zunächst nur in einer gekürzten französischen Übersetzung gedruckt, dann ins Italienische rückübersetzt, wurde Pigafettas ursprünglicher Text erst um 1800 in einer Mailänder Bibliothek wiederentdeckt. Er ist in einem Dialekt verfasst, wie man ihn im 16. Jahrhundert in Vicenza sprach. Allerdings meinte der Wieder-Entdecker von Pigafettas Bericht, der Mailänder Bibliothekar Carlo Amoretti, dass man dem Publikum die eigentümliche, oft derbe Sprache des Autors nicht zumuten könne. Daher „übersetzte“ Amoretti den Bericht ins moderne Italienisch und glättete dabei so manche Passage, die er als anstößig oder unklar empfand.
Mittlerweile gibt es längst originalgetreue Ausgaben von Pigafettas Buch: in der Originalsprache, in französischer und in englischer Übersetzung, es gibt Faksimile- und kritische Editionen. Nur im Deutschen gab es bis dato nichts dergleichen. Die einzige bisher hierzulande auf dem Buchmarkt erhältliche Ausgabe bringt einen vielfach gekürzten, an anderen Stellen willkürlich erweiterten Text, ohne dass Kürzungen oder Erweiterungen kenntlich gemacht wären; die Übersetzung selbst ist mitunter freizügig bis zur Sinnentstellung. Beispiel gefällig? Folgende Passage aus Pigafettas Bericht wurde in der bisher erhältlichen Edition kommentarlos gestrichen:
Eines Tages kam ein schönes junges Mädchen auf das Flaggschiff, wo ich mich aufhielt, zu nichts anderem, als um ihr Glück zu versuchen. Wie sie so abwartend dastand, warf sie einen Blick auf die Kajüte des Meisters und sah einen Nagel länger als einen Finger, den sie mit großer Vornehmheit und Anmut an sich nahm. Sie steckte ihn zwischen die Lippen ihrer Natur und verschwand heimlich, still und leise. Das sahen der Generalkapitän und ich.
Weil ich fand, dass auch Leserinnen und Leser des Deutschen dieses wichtige und obendrein sehr unterhaltsame Buch in möglichst authentischer Form lesen können sollten, habe ich es direkt aus der Originalsprache, dem Venetischen des 16. Jahrhunderts, neu übersetzt. Und damit alle den Text einordnen und verstehen können, habe ich eine historische Einleitung und einen Fußnoten-Kommentar hinzugefügt, in dem alle fremdartigen Namen und Begriffe erklärt werden. Ganz besonders freut mich, dass die Neuausgabe auch die 23 farbigen Miniaturen enthält, die Pigafetta selbst seinem Werk beigegeben hatte und die bisher in keiner deutschen Ausgabe abgedruckt wurden.
Ich danke dem Deutschen Übersetzerfonds für ein großzügiges Arbeitsstipendium und dem Verlag wbg Edition für die schöne und hochwertige Ausgabe. Dank ihr kann man nun den „echten“ Pigafetta auch auf Deutsch lesen. Viel Spaß bei der Lektüre und – buon viaggio!