Veröffentlicht am 9. Mai 2022
War ich neulich doch mal wieder im ersten Bezirk. Eine Redakteurin von Radio Stephansdom hatte mich ins Studio eingeladen, um über Roald Amundsen zu sprechen. Am 16. Juli jährt sich zum 150. Mal der Geburtstag des berühmten Polarforschers. Er spielt eine Hauptrolle in meinem Buch „Das Eis und der Tod“ .
Alle Welt kennt Amundsen als „Bezwinger“ des Südpols, Wikipedia ihn auch als Kapitän des ersten Schiffes, das die Nordwestpassage durchfuhr, als Expeditonsleiter beim ersten Luftschiff-Flug über den Nordpol und Vollbringer weiterer polarer Heldentaten. Abseits solcher Bravourstücke war über den Menschen Roald Amundsen lange Zeit wenig bekannt. Der Entdecker unerforschter Landstriche war ein Meister im Verbergen seines Innenlebens.
Erst Tor Bomann-Larsen gelang es 1995 mit seiner grandiosen Biographie (deutsch 2007), die unkartierten Eiswüsten im inneren Kontinent des Roald Amundsen zu durchmessen. Bomann-Larsen zeigte auch, welchen bedeutenden Anteil der Geschäftsmann Leon Amundsen an den Erfolgen seines jüngeren Bruders Roald hatte – was diesen nicht daran hinderte, später mit Leon zu brechen und ihn öffentlich zum „Verräter“ zu erklären.
Roald Amundsen war zeitlebens viel unterwegs, vor allem mit Dampfer und Eisenbahn auf seinen Vortragstourneen, während er seine Polarreisen vorzugsweise mit Ski, Hundeschlitten, Segel- und Motorschiffen bestritt. Später entdeckte er das Fliegen für sich, allerdings weniger als Pilot denn als (prominenter) Passagier.
Die Frage des Transportmittels stellte sich auch mir, als ich in den ersten Wiener Bezirk fuhr. In die Stadt mit der S-Bahn, so viel war klar. Aber wie weiter? Bislang hatte ich stets das „Citybike“ genutzt, aber das ist von der Stadt Wien demontiert worden. Das Nachfolge-System verlangt ein Smartphone, das ich nicht habe.
Also das eigene Rad in den Zug geladen und damit bei prächtigem Sonnenschein vom Praterstern in den ersten Bezirk geradelt, bis zum Deutschordenshaus, wo unterm Dach Radio Stephansdom seine Studios hat. Im malerischen, gepflasterten Innenhof machte ein Mann sich mit dem Kärcher zu schaffen. Ringsum parkten Autos.
Wo man hier sein Rad abstellen könne, fragte ich den Mann. „Bitte nicht im Hof!“, rief er. „Wo denn dann?“, fragte ich. „Woher soll ich das wissen“, antwortete er und warf seinen Kärcher an. Nach einigem Suchen fand ich zwei Ecken weiter an der Straße einen freien Laternenmast. Im Studio angekommen, erzählte ich der Redakteurin von meiner Suche nach einem Radabstellplatz. „Oje, heikles Thema“, meinte sie: „Übrigens schon seit Jahrzehnten …“
Womöglich ist das eine Antwort darauf, warum in Wien eigentlich so wenige Menschen Fahrrad fahren.